Kopernikus 6
grinste. „Sie wissen schon, diese armeegrünen ‚Panzerplatten-Kekse’. Es ist das gleiche Zeug.“
Der Juckreiz kam, und Chamblen kratzte sich. Er legte die Hand wieder an das Gerüst. Bensmiller ließ den Vorgang träge in seinem Geist ablaufen und versuchte, sich an die Dynamik eines Systems zu erinnern, das zu verstehen er kaum die notwendigen Voraussetzungen besaß. „Es gibt zehn Kuppeln. Jetzt sind es neun. Machen zehn Prozent soviel aus?“
„Kommt drauf an, Tom, kommt drauf an. Wir könnten die Sache jetzt auf sich beruhen lassen und weitermachen wie bisher, mit neun Kuppeln. Es würde ein bißchen stickiger werden, und wir hätten vielleicht ein bißchen weniger zu essen. Aber wenn dann noch eine Kuppel ausfallen sollte, dann wären wir in ganz ganz bösen Schwierigkeiten.“
„Es ist noch nie passiert.“ Bensmiller blieb eisern und hoffte, daß man es ihm auch ansah. „Ich glaube nicht, daß es noch mal vorkommt.“
Der Prediger schüttelte den Kopf. „Man muß immer mit dem Unvorhergesehenen rechnen. Es kann einen umbringen. Verstehen Sie, Tom, ich gebe nicht einfach nur auf. Es ist ein Schlag, ich weiß. Aber wir sind nicht schlechter dran als vorher. Ehrlich, wissen Sie, warum sie diese Kirche hier gebaut haben und Sie hergeschickt haben?“
Die Worte waren leicht zu finden. „Um es dem Evangelium zu ermöglichen, dem Menschen zu folgen, während er das Weltall erobert.“
Chamblen lachte glucksend. „Direkt aus einem der Pamphlete von Monsignore Garif. Ich kenne Garif. Er ist ein gerissener Taktiker. Er war es, der wie wahnsinnig Druck ausgeübt hat, damit hier oben eine Kirche errichtet werden konnte, und er hat Sie als katholischen Kaplan durchgeboxt. Sie sind ein alter Freund von ihm.“
„Ja, aber …“
„Und das ist alles reinste PR-Arbeit. Die Wahrheit ist doch, daß die katholische Kirche auf der Erde eine verlorene Schlacht kämpft und daß Garif hier einen Brückenkopf der Orthodoxie errichten will, als Ausgangsbasis für eine weitere Ausbreitung der Kirche, sobald wir über das Erde-Mond-System hinausgelangen. Sie sind so orthodox wie nur irgendwer, und Sie halten große Stücke auf Garif. Was hätte er Ihrer Meinung nach denn sonst tun sollen?“
Bensmiller gestattete sich ausnahmsweise einmal ein Lächeln. „Für einen Prediger des Herrn sind Sie doch ein wenig zynisch.“
„Nein. Ich passe mich nur meiner Umwelt an. Dies hier ist ein Ort der klaren Vernunft, von vernünftig denkenden Leuten bevölkert. Für das Überflüssige gibt es hier keinen Platz. Nachdem ich einige Zeit darüber nachgedacht habe, bin ich immer noch nicht der Ansicht, daß wir hier oben überhaupt eine Kirche brauchen.“
„Es erstaunt mich, daß Sie sich nicht selbst für überflüssig erklärt haben und aus der Luftschleuse springen. Ich hoffe doch sehr, daß Sie immerhin an Gott glauben.“
„Das tue ich.“ Chamblen nickte. „Gott ist für mich ein liebender Vater, der sich einmal sehr um seine neugeborenen Söhne gekümmert hat, aber jetzt, nachdem sie der Wiege entwachsen sind, von ihnen erwartet, daß sie mehr auf sich selbst gestellt zurechtkommen.“
Bensmiller weigerte sich, den Prediger anzusehen. „Es tut mir leid, daß wir Gott nicht auf dieselbe Weise sehen.“
Chamblen stand auf und schritt zur Tür. Er hatte die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als er im Sternenlicht stehenblieb und an den Manschetten seines schwarzen Hemds zupfte, dessen Kragen geöffnet war und das an den Achseln von der Feuchtigkeit noch schwärzer gefärbt war. „Tom, sehen Sie es doch einmal so: Sie würden doch niemals ihren letzten Cent für ihre Herumtreiber ausgeben, oder?“
Bensmiller ignorierte ihn.
„Nun, Sie verlangen aber von Kreski, daß er hier oben unseren letzten Cent verschleudert. Es tut
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