Kopernikus 6
gespenstische Gestalten, die sich im Ozean von ein Sechstel g im Schwimmgang voranbewegten. Einen Augenblick lang glitzerte die Haube eines Krans im Licht der Nachtlampen. Er kroch über das unwirkliche graue Bild auf dem Schirm und war verschwunden. Weitere Männer folgten mit weiteren Maschinen. In dem seltsamen Licht sahen Menschen und Maschinen wie Verwandte aus, Cousins zweiten Grades, voneinander getrennt durch eine Doppelschicht Fiberglas und rahmenden rostfreien Stahl. Bensmillers Blick wanderte auf das Schild, das über einer der Monitorkonsolen hing und auf dem in schwarzer Antiqua die Worte standen: Wir sitzen alle im selben Boot. Er konnte es nie ganz verstehen, die wahre Bedeutung des Satzes nie völlig begreifen. Irgendwie kam es ihm so vor, als sagten die Maschinen dies. Unter dem Blech sind wir alle Brüder. Es widerte ihn an. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hatte der Mensch im Kriegszustand mit seinen Maschinen gelebt. Jetzt, in der ersten Hälfte des einundzwanzigsten, wurde er selbst zu einer Maschine.
Der ölige Maschinengeruch stieg ihm deutlich in die Nase. War dies das erste Gefecht in einem neuen Krieg?
Neben der Schleusentür war Kreski damit beschäftigt, Knöpfe zu drücken. Eine gequälte Atombatterie verkündete, daß die Außentür geöffnet wurde. Kreski erblickte Bensmiller aus dem Augenwinkel und schoß herum.
„Bensmiller, sind Sie taub? Gehen Sie zurück in Ihr Eckchen und stellen Sie die Luft an!“
Der Priester bemerkte, daß Kreski mit Ausnahme des Helms in voller Montur war. Die Sirenen blieben im Hintergrund mit ihrem immer noch unwirklichen Geheul. Seine Trommelfelle waren noch nicht frei.
„Aber wenn es Verletzte gibt …“
„Verdammt!“ Kreski lief vor Wut rot an. „Auf dem Mond ist man entweder lebendig oder tot. Es wäre mir lieber, sie wären lebendig. Achten Sie auf die Sirenen, Mann!“
Bensmiller, von dem Wutanfall des riesigen Mannes eingeschüchtert, wandte sich um und ging zurück in den Hauptkorridor. Die Schleuse wälzte mit doppelter Alarmgeschwindigkeit Luft um, die kreischend gegen die wütenden Pumpen rebellierte. Der Priester versuchte, das Geräusch auszuschalten.
Als er um die Ecke bog, stieß er auf Reverend Arthur Chamblen, die andere Hälfte der Mondmission des Ökumenischen Rats. Grauhaarig, in den Sechzigern. Er war ein stolzer Mann, hochgewachsen und mager, stolz darauf, daß er körperlich für fähig befunden worden war, den Strapazen der Raumfahrt zu widerstehen, stolz auf sein Diplom in Astronomie, das es ihm gestattete, das kleine Stationsteleskop zu bedienen, das den Vierhundertzöller unterstützte, der sich siebzig Kilometer entfernt befand. Bensmiller, dessen Stationsbeitrag darin bestand, daß er sich um die zahlreichen Labortiere kümmerte und sie versorgte, beneidete Chamblen manchmal. Der Mann sprach über viele Dinge mit sicherer Bestimmtheit. Er besaß einen scharfen Verstand und hatte keinerlei Skrupel, Kritik dort zu äußern, wo er sie für angebracht hielt.
„Er hat recht, wissen Sie. Tot oder lebendig. Nicht viel dazwischen.“
Die Stimme war kalt, unbewegt. Weniger die Stimme eines Predigers als die eines Physikers. Die Augen waren genauso, fahlblau, eisblau, selbstsicher.
„Warum haben Sie sich dann nicht wie ein braver Junge in ihrer Zelle eingeschlossen?“ Bensmiller schwitzte.
„Ich habe Sie gesucht. Als die Sirenen ertönten, kam alles angelaufen. Außer Ihnen.“
„Meine Ohren sind noch nicht frei.“
„Die Sirenen haben schon ihren Sinn. Gehen wir.“
Mit einem gespenstischen Schnappen gab die innere Schleusentür nach und verschwand zischend in ihrer Verschalung.
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