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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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sie mich nicht be­lo­gen hat­te. Zum Lü­gen schi­en sie gar nicht fä­hig – ein bra­ves al­tes Mäd­chen, Rück­grat des Sü­dens, des Bo­dens. Ganz und gar oh­ne Falsch.
    Ich konn­te gar nicht an ihr zwei­feln, und an mei­ner Ur­teils­kraft auch nicht. Hier war ich und kroch hol­pernd einen Lehm­weg in Miss­is­sip­pi hin­un­ter, nach­dem ich einen Tag nicht ge­schla­fen hat­te, am dün­nen, aus­ge­fran­s­ten Ran­de ei­nes Traums. Ich muß­te jetzt ein­fach Ver­trau­en ha­ben.
    Manch­mal, wenn der Lehm sich ge­lo­ckert hat­te und zu Sand ge­wor­den war, rutsch­te das Hin­ter­teil mei­nes Wa­gens weg. Ein­mal blieb ein Hin­ter­rad ste­cken, aber ich schau­kel­te mich wie­der her­aus. Der Rück­weg wür­de ei­ne Sa­che für sich wer­den. Be­nutz­te die­se Stra­ße denn über­haupt nie­mand?
    Der Wald dräng­te jetzt zu bei­den Sei­ten her­ein wie ein ur­zeit­li­cher Dschun­gel, und der Zaun war längst ver­schwun­den. Nach mei­nem Ki­lo­me­ter­zäh­ler war ich zehn Ki­lo­me­ter ge­fah­ren, und es war zwan­zig Mi­nu­ten her, seit ich die Haupt­stra­ße ver­las­sen hat­te. Im Rück­spie­gel sah ich Schweiß­per­len und Schmutz in den Fal­ten mei­nes Hal­ses. Ei­ne fei­ne Pa­ti­na von Staub be­deck­te das gan­ze In­ne­re des Wa­gens. Klum­pen­wei­se kam er durch die Fens­ter her­ein.
    Der Wald rück­te vor und ver­schlang die Stra­ße. Zwei­ge kratz­ten über die Fens­ter und das Dach. Es war, als fie­le man in einen lan­gen, dunklen Blät­ter­tun­nel. Es war fins­ter und grün dort drin­nen. Ich muß­te einen ata­vis­ti­schen Drang, die Schein­wer­fer ein­zu­schal­ten, nie­der­kämp­fen. Der Un­ter­grund des Weges muß­te aus dem ver­rot­te­ten Laub ei­ni­ger Jahr­hun­der­te be­ste­hen. Ich hielt das Gas­pe­dal gleich­mä­ßig nie­der­ge­drückt und walz­te mich hin­durch.
    Ein hal­ber Baum­stamm ver­hak­te sich schep­pernd und kra­chend un­ter dem Wa­gen. Vor mir sah ich Licht. Ich fürch­te­te um mei­ne Öl­wan­ne, aber ich trat das Gas­pe­dal durch und schoß vor­wärts.
    Bei­na­he wä­re ich durch ein Haus ge­schos­sen.
    Es stand höchs­tens zehn Me­ter von den Bäu­men ent­fernt. Die Stra­ße en­de­te un­ter ei­nem der Fens­ter. Aus den Au­gen­win­keln sah ich, wie je­mand wink­te.
    Ich trat in die Brem­sen.
    Ei­ne gan­ze Fa­mi­lie war auf der Ve­ran­da; es sah aus wie ein Wal­ker-Evans-Pho­to aus der De­pres­si­on. Das Haus war alt. Die ab­blät­tern­de Far­be hing in me­ter­lan­gen Strei­fen her­ab und weh­te ge­gen die Re­gen­roh­re.
    „Gut, daß Sie noch ge­bremst ha­ben“, sag­te ei­ne Stim­me. Ich sah hoch. Der größ­te Mann, den ich je in mei­nem Le­ben ge­se­hen hat­te, beug­te sich zu mei­nem Sei­ten­fens­ter her­ab.
    „Wenn wir Sie frü­her ge­hört hät­ten, hät­te ich einen der Jungs zum En­de der Zu­fahrt ge­schickt, da­mit er Sie warnt“, sag­te er.
    Zu­fahrt?
    Er hat­te brau­ne Fle­cken in den Mund­win­keln. Zu­erst dach­te ich, er kau­te Ta­bak, aber dann sah ich den Schnupf­ta­baks­pin­sel aus der Blei­stift­ta­sche am Latz sei­nes Over­alls ra­gen. Er hat­te Hän­de wie ein Cat­cher. Sie sa­hen aus, als ob sie nie­mals et­was Klei­ne­res ge­hal­ten hät­ten als den Stiel ei­ner Axt.
    „Wie geht’s?“ be­grüß­te er mich.
    „Ganz pri­ma“, sag­te ich und stieg aus. „Mein Na­me ist Lind­berl.“ Ich streck­te mei­ne Hand aus. Er nahm sie. Einen Au­gen­blick lang dach­te ich an Bä­ren­fal­len, Hai­fisch­ra­chen, Auf­zug­tü­ren. Dann ver­schwand der Ge­dan­ke da­hin, wo sie wohl al­le ver­schwin­den mö­gen.
    „Woh­nen hier die Gud­gers?“ frag­te ich.
    Sei­ne grau­en Au­gen sa­hen mich aus­drucks­los an. Er trug ei­ne Trucker­müt­ze und un­ter sei­nem Over­all ein ka­rier­tes Holz­fäl­ler­hemd. Sei­ne Gum­mis­tie­fel wa­ren so groß wie die von Kar­loff in Fran­ken­stein.
    „Nee. Ich bin Jim Bob Krait. Das da ist mei­ne Frau Jen­ny, und das sind Lu­ke und Skee­no und Shirl.“ Er wies auf die Ve­ran­da.
    Die Leu­te auf der Ve­ran­da nick­ten.
    „Mal se­hen. Gud­ger? So­viel ich weiß, gibt’s hier kei­ne Gud­gers. Ich bin aber noch ziem­lich neu in der Ge­gend.“ Das soll­te wahr­schein­lich hei­ßen, daß er noch

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