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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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die Pflan­zen ken­nen die Va­ria­tio­nen der Zu­stän­de wäh­rend der Nacht und wäh­rend des Ta­ges.
    Zö­gernd und un­auf­halt­sam zu­gleich dringt die Wär­me der auf­ge­hen­den Son­ne durch sei­ne schwe­re Acryl­fa­ser­ja­cke. Ein woh­li­ges Ge­fühl brei­tet sich auf dem brei­ten Rücken aus, der un­ver­än­dert ge­krümmt in Po­si­ti­on ge­bracht ist. Die Strah­lung folgt den Run­dun­gen der fes­ten Haut, streicht über die Schul­tern und er­reicht die aus­ge­präg­ten Mus­kel­pa­ke­te der Ober­ar­me.
    Die Seh­nen­strän­ge sind an­ge­spannt, sie ge­nie­ßen die gel­be Wär­me, die auf der Kunst­stoff­fo­lie der Ja­cke auf­trifft, im chan­gie­ren­den Acryl ih­ren Glanz ver­liert und farb­los schön wird, die sich zwi­schen den Mus­kel­fa­sern ein­la­gert, sie mas­siert und ein Ge­fühl von Kraft und Aus­dau­er ver­brei­tet.
    Er ist trai­niert.
    Oh­ne sei­ne Stel­lung zu ver­än­dern, oh­ne sich äu­ßer­lich zu be­we­gen, spielt er sei­ne Mus­kel­funk­tio­nen durch, prüft den Grad der Ver­span­nung und sinkt zu­rück in die lau­ern­de Auf­merk­sam­keit.
    Er be­hält die Grund­po­si­ti­on bei, die er vor Stun­den ein­ge­nom­men hat; kaum merk­ba­re Va­ria­tio­nen der Arm­hal­tung ge­steht er sich zu. Er scheint ver­wo­ben zu sein mit sei­ner Um­ge­bung, scheint ein Teil der stil­len Pflan­zen­welt ge­wor­den zu sein, die nur der ru­hi­gen Be­we­gung des Mor­gen­win­des folgt und sich woh­lig im Pro­jek­ti­onss­trahl der Son­ne ba­det.
    Die Pilz­ko­lo­nie dicht vor ihm hat ih­ren Feuch­tig­keits­glanz ver­lo­ren, der glat­te Schim­mer ist ver­dampft, die La­mel­len be­gin­nen sich zu sprei­zen, die Hü­te ent­fal­ten sich, re­cken ih­ren Kreis dem Licht und da­mit zu­gleich dem En­de ih­rer Form ent­ge­gen. In we­ni­gen Mi­nu­ten wer­den die zar­ten Feucht­ge­we­be ver­dörrt sein.
    Sei­nem Au­ge ent­geht nicht die ge­rings­te Ver­än­de­rung, er sieht je­de Be­we­gung, sei es ein her­ab­sin­ken­des Blatt oder der flüch­ti­ge Schat­ten ei­nes schwin­gen­den As­tes.
    Sein Blick ist ge­schärft wie der ei­nes lau­ern­den, hung­ri­gen Raub­tie­res, das nicht nur sieht, son­dern mit je­der Fa­ser sei­nes Kör­pers be­tei­ligt ist, das al­le sei­ne Sin­ne zu­sam­men­ballt und auf die Er­war­tung kon­zen­triert.
    Das Dickicht hat ihn auf­ge­nom­men. Die Ober­flä­che der Acryl­fa­ser­ja­cke saugt die stär­ker wer­den­de Strah­lung auf und be­ginnt sich braun zu ver­fär­ben, be­ginnt die Far­be an­zu­neh­men, die den mäch­ti­gen Stamm an sei­ner rech­ten Sei­te über­zieht. Der Baum und der ge­duck­te Kör­per ver­schmel­zen lang­sam zu ei­ner ein­zi­gen Form.
    Er liegt im An­schlag.
    Der schwe­re Kol­ben sei­ner Prä­zi­si­ons-Au­to­ma­tic preßt sich an die Schul­ter, doch er igno­riert den Druck und läßt sei­nen Blick über die Waf­fe glei­ten, die ihm die Rich­tung an­zeigt. Das kor­ro­si­ons­be­stän­di­ge Me­tall ist ein­ge­bet­tet in ei­ne rau­he Kunst­stoff­schicht, die das auf­tref­fen­de Licht ab­sor­biert. Selbst die grel­len Strah­len­spit­zen der auf­stei­gen­den Son­ne kön­nen nicht re­flek­tiert wer­den und sei­nen Stand­ort ver­ra­ten. Der oliv­far­be­ne Lauf ragt zwi­schen den Halm­fon­tä­nen hin­durch. Die­se glat­te Form ge­hört von Na­tur aus nicht in die­se Land­schaft. Sie ist ein Fremd­kör­per, und doch wird sie wi­der­spruchs­los ge­dul­det, weil die Blät­ter, die Äs­te, das Moos, das Gras, der Bo­den, weil sie sich al­le­samt nicht weh­ren kön­nen ge­gen das Frem­de, das sich glatt und kon­se­quent da­zwi­schen ge­scho­ben hat.
    Aus dem Ver­schluß sei­ner Waf­fe dringt der fei­ne, kaum wahr­nehm­ba­re Ge­ruch von Ma­schi­nen­öl. Es ist der er­folg­ge­wohn­te Duft von Ge­nau­ig­keit, Be­reit­schaft, von äu­ßers­ter Kon­zen­tra­ti­on auf das Ziel.
    Er denkt an das Ziel und an sei­nen Auf­trag, denn bei­de sind un­lös­bar mit­ein­an­der ver­bun­den. Er weiß nicht, der wie­viel­te Auf­trag die­ser Art es ist, den er heu­te, gleich, jetzt, in die­sem Mo­ment er­fül­len wird. Er hat sie nicht ge­zählt, die vie­len Ma­le, in de­nen sie Kon­takt auf­ge­nom­men ha­ben zu

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