Kopernikus 6
ihm.
Sie wechselten die Erscheinungsformen und Stimmen, schickten jedes Mal einen neuen Vertreter ihrer Interessen zu ihm, wählten jeweils andere Worte. Seine Auftraggeber haben sich nie wiederholt. Nur der Inhalt ihrer Botschaft war der gleiche. Wortlos wurde ihm der jeweilige Auftrag erteilt. Es bedurfte keiner mündlichen Details, denn die notwendigen Daten spiegelten sich in sein Gedächtnis ein.
Sie wechselten die Erscheinungsformen und die Stimmen, obwohl er sie weder gesehen noch gehört hat. Die wortlosen Stimmen, die unsichtbaren Gesten entstehen und vergehen in seinem Bewußtsein, während er die Augen geschlossen hält.
Jeder einzelne der zahlreichen Aufträge erreichte ihn auf die gleiche Weise. Er hat diese Form des Kontaktes widerspruchslos akzeptiert, denn er begreift sich nur als Teil eines größeren Zusammenhangs und sein Handeln nur als den Versuch, sich sinnvoll in das Geschehen einzubinden. Er ist letztlich ein Suchender, der sich von der Hoffnung ernährt, ein Ziel zu finden und es als sein eigenes Ziel zu erkennen.
Er ist Jäger.
Der Spannungsbogen, der sich in seinem Körper aufbaut, überwindet die räumlichen Grenzen, schlägt über in den Umraum und bindet ihn ein in die Landschaft, in die er sich duckt, die ihn deckt.
Seine Gedanken sind ebenso ruhig wie sein Körper. Er hat seine Grenzen verschoben, macht den Umraum zum Teil seines Körpers, indem er den Zustand annimmt. Jede kleinste Bewegung wird registriert. Er prüft die Bewegungen, die Geräusche, die Gerüche.
Es ist ein normaler Auftrag, der vor ihm liegt. Es ist ein reiner Routine-Job, der sich durch nichts von den anderen erfolgreichen Jobs unterscheiden wird. Er bläht seine Nasenflügel und schlürft bedächtig den klaren Geruch auf, in dessen voller Erdigkeit er die charakteristische Mischung aus Elasticöl und verbranntem Pulver wahrnimmt. Es ist der individuelle Geruch seiner Waffe.
Die S 69 liegt sicher in seinen Händen. Der Lauf weist in die Richtung, aus der er sein Ziel erwartet, während die fleischigen Blattbüschel an den Zweigen, den Ästen, den Bäumen über ihm desinteressiert in der ihnen eigenen, konzentrisch schlingernden Bewegung die Zeit überbrücken.
Die Automatic in seinen Händen ist in diesem besonderen Augenblick zu einem Teil seines Körpers geworden, und ihre tödliche Kraft ist ein Teil seiner eigenen Kraft. Die Haut hat die Präzision absorbiert, mit der das Projektil in die exakt zugewiesene Richtung geschleudert wird, um das Ziel zu treffen, um das Leben zu vernichten.
Seine pulsierende Haut fängt die Kälte des Metalls auf; es entsteht eine gemeinsame mittlere Temperatur in diesem Augenblick höchster Konzentration. Metall, Plastik, Fleisch und Blut sind miteinander verschmolzen zu einer einzigen Funktion, sind festgelegt, erfüllen den gemeinsamen Auftrag und werden ihrer Bestimmung gerecht, nämlich zu suchen, zu finden, zu fixieren und zu treffen.
Sein Blick gleitet weich durch die Blattfächer, die sich vor ihm verschränken, er streift über die stille Lichtung und tastet den Rand ab, der den niedrig bewachsenen Streifen säumt. Er ist weder erstaunt noch erregt, als er endlich den Schatten wahrnimmt, der sich vorsichtig aus dem Schutz des Dunkels löst. Er hat diese fremde Gestalt erwartet, die zögernd hervortritt, die unsicher ist, oder vorsichtig, oder mißtrauisch.
Der dichte, dunkelgrüne Pflanzenteppich, der die Lichtung dicht am Boden überzieht, verharrt träge und bewegungslos unter dem gelben Schräglicht der Sonne. Alles hält den Atem an.
Er erwartet sein Opfer.
Die Helligkeit streift über seinen geduckten Körper hinweg, er sieht mit dem Licht, der andere sieht
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