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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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und hat lau­ter Zahn­lücken. Sie sieht aus wie zehn oder elf. Ih­re Au­gen sind halb ver­deckt durch den Schat­ten der Krem­pe ei­nes aus­ge­fran­s­ten Stroh­hu­tes auf ih­rem Kopf. Der Bo­den un­ter ih­ren blo­ßen Fü­ßen ist frisch um­ge­gra­ben. Hin­ter ihr sieht man ei­ne Ecke des Hau­ses, und bei der Scheu­ne im Hin­ter­grund ste­hen die Heu­lu­ken of­fen. Un­scharf sind Leu­te zu er­ken­nen, die dort ar­bei­ten.
    Ein paar Fuß hin­ter ihr be­fin­det sich ein großer männ­li­cher Do­do, der et­was vom Bo­den auf­pickt. Man sieht die vor­de­ren zwei Drit­tel von ihm, bis zu den al­ber­nen Flü­geln und den nach oben ge­bo­ge­nen Schwanz­fe­dern. Ein Fuß ist auf dem Pho­to, er hat ge­ra­de in den frisch­ge­pflüg­ten Schol­len nach et­was ge­scharrt, viel­leicht nach ei­nem Re­gen­wurm. Sei­ner dunklen Fär­bung nach zu ur­tei­len han­delt es sich um den grau­en Mau­ri­ti­us-Do­do.
    Das Pho­to ist nicht sehr gut; es ist mit ei­ner Box auf­ge­nom­men, For­mat 9 x 12. Ich se­he es schon vor mir, auf ei­ner Dop­pel­sei­te im Scien­ti­fic Ame­ri­can ab­ge­bil­det, mit ei­ner Ver­grö­ße­rung des Do­do. Al­ma er­zähl­te mir, daß es zu je­ner Zeit bei ih­nen nur noch sechs oder sie­ben der häß­li­chen Hüh­ner ge­ge­ben ha­be, zwei wei­ße und der Rest grau­braun.
    Ne­ben dem Pho­to sind zwei Zei­tungs­aus­schnit­te in dem Pa­ket, ei­ner aus der Ban­ner Ti­mes aus Bru­ce und ei­ner aus der Ox­for­der Zei­tung; bei­des sind Ko­lum­nen von der­sel­ben Frau, über­schrie­ben mit „Neu­es aus Wa­ter Val­ley“. Bei­de re­den da­von, daß die Fa­mi­lie Gud­ger aus der Ge­gend weg­zie­he, um ihr Glück in dem sump­fi­gen Staat im Wes­ten zu ma­chen, und wie man sie ver­mis­sen wer­de. Dann gibt es noch einen ver­gilb­ten Aus­schnitt von der Ti­tel­sei­te der Zei­tung von Ox­ford mit ei­nem klei­nen Ar­ti­kel über die Ab­schied­spar­ty für die Fa­mi­lie Gud­ger in Wa­ter Val­ley am Sonn­tag zu­vor. (Das Da­tum ist der 19. Ok­to­ber 1929.)
    Ein Hand­zet­tel ist da, der die Gud­ger-Ab­schied­spar­ty an­kün­digt: am Sonn­tag, dem 15. Ok­to­ber 1929, und je­der­mann ist ein­ge­la­den. Die Leu­te in Loui­sia­na, die die Spe­sen für Dad­dy Gud­gers Um­zug ge­schickt hat­ten, muß­ten die Kos­ten ge­wal­tig über­schätzt ha­ben. Das sag­te ich auch.
    „Nein“, sag­te Al­ma Mo­liè­re. „Es war zwar viel, aber dar­an hät­te es nicht ge­le­gen. Dad­dy Gud­ger war wie Tho­mas Wolfe; er wuß­te, was ei­ne gol­de­ne Ge­le­gen­heit war. Ob er ge­win­nen, ver­lie­ren oder un­ent­schie­den ab­schlie­ßen wür­de – dort­hin wür­de er je­den­falls nicht zu­rück­keh­ren. Er hät­te in je­dem Fall ei­ne Art von Soi­ree ge­ge­ben, ob nun das Geld da­für da war oder nicht. Au­ßer­dem dür­fen Sie nicht ver­ges­sen, daß die Leu­te da­mals viel ge­sel­li­ger wa­ren, als die meis­ten Men­schen es heu­te sind.“
    Ich frag­te sie, wie vie­le Leu­te da­ge­we­sen sei­en.
    „Vier- oder fünf­hun­dert“, sag­te sie. „Hier müs­sen ir­gend­wo ein paar Pho­tos da­von sein.“ Wir such­ten ei­ne Wei­le, und dann fan­den wir sie.
    Noch drei­ßig Mi­nu­ten bis zum Ab­flug. Es macht mich nicht un­ru­hig, hier zu sit­zen. Ich bin der ein­zi­ge Pas­sa­gier, und der Pi­lot sitzt am Ne­ben­tisch und un­ter­hält sich mit ei­nem Mann von der Roy­al Air For­ce. Auf die­sen Ko­lo­nia­lin­seln geht es viel ge­müt­li­cher und net­ter zu. Das dür­fen Sie nicht ver­ges­sen.
    Ich se­he mir die bei­den an­de­ren Pho­tos aus dem Pa­cken an. Ei­nes zeigt ein paar Män­ner, die Huf­ei­sen- und Rin­ge­wer­fen spie­len; Kin­der, Hun­de und Frau­en se­hen ih­nen zu. Es wur­de of­fen­sicht­lich vom Os­ten­de des Hau­ses mit Blick nach Wes­ten auf­ge­nom­men. Al­le muß­ten die letz­te Mei­le bis zur Gud­ger-Farm zu Fuß ge­gan­gen sein. An­de­re Leu­te ste­hen in Grup­pen zu­sam­men und un­ter­hal­ten sich. Ein paar Män­ner in Hemd und Ho­sen­trä­gern ste­hen mit zu­rück­ge­wor­fe­nen Köp­fen da: Zwei­fel­los wur­de so­eben ei­ne ul­ki­ge Ge­schich­te er­zählt. Ein Mäd­chen schaut ganz vorn di­rekt in die Ka­me­ra, schüch­tern und mit ei­nem Fin­ger

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