Kopernikus 6
die Option offen, der Öffentlichkeit nie mitzuteilen, daß Turco Psyche in ihre Gewalt gebracht hatte. Wenn alles gutging, würde man die Angelegenheit ohne kostspielige Geständnisse beilegen.
„Entschuldigen Sie“, sagte Turco ein paar Sekunden später. Die zeitliche Verzögerung zwischen den Übertragungen ging ihr auf die Nerven, soweit Kollert das beurteilen konnte. „Etwas ging hier verloren.“
„Ser Turco, der Tod Ihres Vaters auf Psyche war ein Zufall, und Ihre jetzigen Handlungen sind lächerlich. Die Zerstörung des Hexamon-Komplexes – viel besser als ‚Erde’ zu sagen – ändert daran nichts.“ Er lehnte sich im Sitz zurück und kaute am Nagel des Zeigefingers. Diese Geste hatte eine Stunde vor Beginn der Verhandlungen Zustimmung gefunden, doch war sie nahezu völlig echt. Die sonstige Eleganz seiner Ausdrucksweise schien sich bei dieser Begegnung abzuschleifen. Ihm waren bereits mehrere peinliche Schnitzer unterlaufen.
„Ich tue das nicht aus logischen Gründen“, meinte Turco schließlich. „Ich tue es aus Haß auf euch und alle Menschen, die euch unterstützen. Was auf Psyche geschah, war durch und durch eine Schweinerei – es war sinnlos, wurde in der schlechtesten Absicht durchgeführt und führte zum Tod eines herrlichen Traumes, von dem einiger Menschen, die ich liebte, ganz zu schweigen. Geschwätz kann meine Meinung darüber nicht ändern.“
„Warum verhandeln Sie dann überhaupt mit mir? Ich bin schwerlich der höchste Beamte im Nexus.“
„Das nicht, aber Sie sind in der idealen Lage zu wissen, wer die höheren darin verwickelten Beamten waren. Sie sind ein angesehener Politiker. Und ich vermute, daß Sie mit der Planung des Anschlags eine Menge zu tun hatten. Ich möchte bloß die Wahrheit herausfinden. Ich bin müde. Ich lege mich für ein paar Stunden hin.“
„Warten Sie einen Augenblick“, sagte Kollert scharf. „Bisher haben wir die wichtigsten Dinge noch gar nicht erörtert.“
„Ich schalte ab. Bis später.“
Der Teamleiter machte am eigenen Hals die Geste des Halsabschneidens, worüber Kollert vor Wut beinahe erstickte. Der junge Schnösel und seine unangebrachten Zeichen wirkten in der gegenwärtigen Lage entschieden aufreizend. Kollert schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Fingerspitzen an die Schläfen. „Wir hatten nicht einmal Zeit, richtig zu beginnen“, sagte er.
Der Leiter des Kommandos erhob sich und reckte die Arme.
„Sie haben sich bis jetzt gut gehalten, Ser Kollert“, sagte er. „Es ist am besten, diese Dinge nicht überstürzt anzugehen.“
„Für Sie bin ich Berater Kollert, und ich bin nicht der Meinung, daß wir die Zeit haben, sie gemächlich anzugehen.“
„Jawohl, Sir. Tut mir leid.“
Sie benötigte die Ruhepause, aber es gab viel zuviel zu tun. Sie schob sich aus dem Sitz und schwebte ein paar Minuten lang sanft, ehe sie nach unten sank. Die Entspannung, die die Schwerelosigkeit mit sich brachte, wäre ihr willkommen gewesen, und die Anziehungskraft Psyches war sehr schwach, aber gerade stark genug, um sie daran zu erinnern, daß zum Ausruhen keine Zeit war.
Eine der Angelegenheiten, die sie zu erledigen gehofft hatte – die Überprüfung der Sprengladungen tief im Inneren des Asteroiden –, erwies sich als unmöglich. Der Hauptcomputer und das Systemschaltbrett zeigten an, daß das Transportsystem durch die Bohrlöcher nicht mehr funktionierte. Sie würde Tage dazu brauchen, um die ganze Strecke durch die Schächte kriechend zurückzulegen oder hinabzuschweben, und sie würde den kleinen Schlepper nicht durch einen Tunnel fliegen, der kaum fünfzig Meter im Durchmesser maß. Als Pilot war sie nicht genügend gut
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