Kopernikus 6
ausgebildet.
Das war ihr schwacher Punkt. Die Bomben konnten von ihrem Standort aus nicht entschärft werden. Sie konnten von einem Schiff ausgelöst werden, das längs der Tunnelachse flog, aber bislang war keines da. Bis dahin würden ungefähr weitere zwölf Stunden vergehen, und dann würde keine Zeit mehr bleiben. Hoffentlich waren bis dahin alle Verhandlungen abgeschlossen.
Sie wollte verzweifelt aus dem Anzug heraus. Die Katheter und Schalen juckten heftig, und sie kam sich wie ein in Wolle eingewickelter Klumpen Tapeziererkleister vor. Vor Anstrengung und wegen der Schweißansammlung auf den Lidern taten ihr die Augen weh. Kam es in einem entscheidenden Augenblick zu einer heftigen Reizung, konnte ihr das Ärger einbringen. So oder so mußte sie sich etwas reinigen – und es gab keine Möglichkeit dafür, außer sie riskierte es, sich dem zurückgebliebenen Gift auszusetzen. Ein paar Minuten lang stand sie unsicher schwankend da, dann seufzte sie und schlug sich mit der behandschuhten Handfläche auf den Schenkel. „Ich bin müde“, sagte sie immer wieder durch die Lippen. „Ich kann nicht klar denken.“
Sie blickte zum Computer hin. Es gab eine Lösung, doch sie konnte sich nicht darauf konzentrieren. „Los, Mädchen. So einfach ist das. Aber was ist es?“
Die Droge hatte möglicherweise eine begrentze Wirkungsdauer – für den Fall, daß der Nexus später etwas mit Psyche anfangen wollte. Aber wie begrenzt? Auf zehn Jahre? Sie gluckste grimmig. Sie hatte die Ampulle und ihre kryptische chemische Beschriftung. War im Computer eine ärztliche Enzyklopädie einprogrammiert?
Sie schloß sich neuerlich an die Konsole an. „PDR“, sagte sie. Der Schirm blieb ein paar Sekunden lang leer. Dann sagte er: „Bereit.“
„Iropentaphonat“, sagte sie. „Zwei-sieben-Dibolten.“
Der Bildschirm druckte die betreffenden Daten aus. Sie suchte eine ganze Minute lang in dem technischen Irrgarten herum, bevor sie das Gesuchte fand. „Effektive Lagerfähigkeit vier Monate und zwei Tage, gerechnet ab Erzeugungsdatum.“ Da hatte sie es.
Sie prüfte neuerlich die Luft – sie war abgestanden, aber atembar –, dann löste sie den Helm. Ein bloßer Knöchel am Auge fühlte sich wunderbar an.
Die kleine Vorhalle in der Station Baja war nett möbiliert und sehr bequem, aber mehr für Geschels als Naderiten eingerichtet – grelle statt natürliche Farben, abstrakte Gemälde der mechanistischen Richtung, modernistische Möbel. Auf Kollert wirkte sie etwas deprimierend. Sein Gegenüber hatte die letzten fünf Minuten nichts gesagt, sondern sah einen Stoß Papiere durch.
„Wer hat das autorisiert?“ fragte der Mann.
„Der Hexamon-Nexus, Herr Präsident.“
„Aber von wem stammt der Vorschlag?“
Kollert zögerte. „Vom Beratenden Komitee.“
„Wer hat es dem Komitee vorgeschlagen?“
„Ich.“
„Aufgrund welcher Autorität?“
„Es ging völlig legal zu“, sagte Kollert entschuldigend. „Derartige Handlungen werden vom Notstandsgesetz, Geheimabschnitt 14, gedeckt.“
Der Präsident nickte. „Sie ist also an den Richtigen gekommen, als sie nach Ihnen verlangte. Ich frage mich nur, woher sie ihre Informationen hat. Nichts von alledem kann über den Rundfunk verbreitet werden – warum hat man es gemacht?“
„Es gibt eine Anzahl von Gründen, darunter finanzielle …“
„Welcher Art? Das Unternehmen wurde hauptsächlich vom Mond finanziert. Die Erde hatte vielleicht einen fünfprozentigen Anteil, also kein entscheidendes Interesse – und es gab keine Verbindung mit radikalen Geschel-Gruppen, daher auch keine Verbindung mit Abschnitt 14 über revolutionäre
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