Kopernikus 6
undurchdringliches, gleichförmiges Rot. Weit, weit entfernt hörte ich jemanden schreien. Mich selbst.
Ich erwachte noch einmal. Der Schmerz war zurückgegangen. Ich konnte sehen. Es war Tag, und die Nachtpflanzen waren gestorben. Die Sonne brannte erbarmungslos auf den kahlen Felsboden. Der Null stand über mir, scheinbar meilenweit in den Himmel emporragend. Ich schrie in übernatürlichem Grauen. Die Welt versank.
Als ich die Augen das nächste Mal öffnete, war der Himmel von schweren Wolken verhangen, und es regnete. Einer dieser sturzbach-ähnlichen Regengüsse des Südens. Ein Quästor-Sani tat irgend etwas mit meinen Beinen, und in der Nähe stand ein Vaclader. Ein paar Schritte weit entfernt lag der Null mit einer Kugel in der Brust auf dem Rücken. Sein erstarrtes Gesicht war aufwärts gerichtet, zu den grauen Wolken, die über den Himmel jagten. In seinen Augen spiegelte sich der Regen.
So war das mit meinem Bein. Es war so viel Nervengewebe zerstört, daß sie mir kein neues wachsen lassen konnten, und ich mußte mich mit dieser steifen Prothese begnügen. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Ich betrachtete es als Lehrgeld.
Zwei Dinge habe ich gelernt: daß jedermann menschlich ist, und daß es dem Universum gleichgültig ist, so oder so. Nur den Menschen ist es nicht gleichgültig. Das Universum interessiert sich einen Dreck dafür. Ist das nicht wunderbar? Ist das nicht eine Erleichterung? Es hat es nicht auf dich abgesehen, und es wird dir auch nicht helfen. Du bist auf dich selbst gestellt. Das sind wir alle, und wir alle sind für uns selbst verantwortlich. Jeder macht sich seinen eigenen Himmel und seine eigene Hölle, und das können wir nicht von uns schieben. Wieviel leichter wäre es, wenn wir Gott für unsere Schuld und unseren Verdienst verantwortlich machen könnten.
Oh, ich könnte eine übernatürliche Bedeutung aus alldem herauslesen – daß ich verschont wurde, weil ich den Null verschont hatte, daß irgendeine gütige Macht mich belohnte –, aber was ist dann mit Goth? Er wurde getötet, und hätte er keine Scherereien gemacht, wäre der Null gar nicht lange genug am Leben geblieben, um mich noch ins Spiel zu bringen. Und was ist mit den anderen von unserem Trupp? Alle tot – und war unter ihnen keiner, der so gut war wie ich und es ebenso verdiente, gerettet zu werden? Nein, es gibt einen viel direkteren Grund für mein Überleben. Getrieben von der Erkenntnis, daß er menschlich war, hatte ich ihn vor der Explosion geschützt. Noch drei andere überlebten die Explosion, aber sie starben, weil sie ungeschützt waren in den Stunden, bevor der Sanitätstrupp eintraf. Die Sonne röstete sie zu Tode. Ich starb nicht, weil der Null stundenlang über mir stand, während die Sonne aufstieg und auf die Felsen brannte, und sein Schalten schützte mich vor der Sonne. Ich behaupte nicht, daß er sich das ganz bewußt ausgedacht hat und mich absichtlich schützte (obwohl – wer weiß?), aber ich hatte ihm die einzige Wärme gegeben, die er während seines langen, schmerzvollen Alptraums gespürt hatte, und deshalb blieb er bei mir, als ihn nichts mehr daran hindern konnte fortzulaufen – und das Ergebnis war dasselbe. Man braucht keine Intelligenz, keine Worte, um auf Empathie zu reagieren. Sie läßt sich durch eine Berührung mit den Fingern mitteilen – Sie wissen das, wenn Sie je ein Tier besaßen oder wenn Sie schon einmal verliebt waren. Deswegen wurde ich verschont, Wärme für Wärme, derselbe Grund, aus dem alles Gute in diesem Leben geschieht. Als die Sanitäter kamen, schossen sie den Null nieder, weil sie glaubten, er wolle mir etwas antun. Soviel zum übernatürlichen Lohn des Gerechten.
Empathie also ist es, was das Leben zusammenhält. Sie ist das
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