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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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un­durch­dring­li­ches, gleich­för­mi­ges Rot. Weit, weit ent­fernt hör­te ich je­man­den schrei­en. Mich selbst.
    Ich er­wach­te noch ein­mal. Der Schmerz war zu­rück­ge­gan­gen. Ich konn­te se­hen. Es war Tag, und die Nacht­pflan­zen wa­ren ge­stor­ben. Die Son­ne brann­te er­bar­mungs­los auf den kah­len Fels­bo­den. Der Null stand über mir, schein­bar mei­len­weit in den Him­mel em­por­ra­gend. Ich schrie in über­na­tür­li­chem Grau­en. Die Welt ver­sank.
    Als ich die Au­gen das nächs­te Mal öff­ne­te, war der Him­mel von schwe­ren Wol­ken ver­han­gen, und es reg­ne­te. Ei­ner die­ser sturz­bach-ähn­li­chen Re­gen­güs­se des Sü­dens. Ein Quä­stor-Sa­ni tat ir­gend et­was mit mei­nen Bei­nen, und in der Nä­he stand ein Vacla­der. Ein paar Schrit­te weit ent­fernt lag der Null mit ei­ner Ku­gel in der Brust auf dem Rücken. Sein er­starr­tes Ge­sicht war auf­wärts ge­rich­tet, zu den grau­en Wol­ken, die über den Him­mel jag­ten. In sei­nen Au­gen spie­gel­te sich der Re­gen.
    So war das mit mei­nem Bein. Es war so viel Ner­ven­ge­we­be zer­stört, daß sie mir kein neu­es wach­sen las­sen konn­ten, und ich muß­te mich mit die­ser stei­fen Pro­the­se be­gnü­gen. Aber ich ha­be mich dar­an ge­wöhnt. Ich be­trach­te­te es als Lehr­geld.
    Zwei Din­ge ha­be ich ge­lernt: daß je­der­mann mensch­lich ist, und daß es dem Uni­ver­sum gleich­gül­tig ist, so oder so. Nur den Men­schen ist es nicht gleich­gül­tig. Das Uni­ver­sum in­ter­es­siert sich einen Dreck da­für. Ist das nicht wun­der­bar? Ist das nicht ei­ne Er­leich­te­rung? Es hat es nicht auf dich ab­ge­se­hen, und es wird dir auch nicht hel­fen. Du bist auf dich selbst ge­stellt. Das sind wir al­le, und wir al­le sind für uns selbst ver­ant­wort­lich. Je­der macht sich sei­nen ei­ge­nen Him­mel und sei­ne ei­ge­ne Höl­le, und das kön­nen wir nicht von uns schie­ben. Wie­viel leich­ter wä­re es, wenn wir Gott für un­se­re Schuld und un­se­ren Ver­dienst ver­ant­wort­lich ma­chen könn­ten.
    Oh, ich könn­te ei­ne über­na­tür­li­che Be­deu­tung aus all­dem her­aus­le­sen – daß ich ver­schont wur­de, weil ich den Null ver­schont hat­te, daß ir­gend­ei­ne gü­ti­ge Macht mich be­lohn­te –, aber was ist dann mit Goth? Er wur­de ge­tö­tet, und hät­te er kei­ne Sche­re­rei­en ge­macht, wä­re der Null gar nicht lan­ge ge­nug am Le­ben ge­blie­ben, um mich noch ins Spiel zu brin­gen. Und was ist mit den an­de­ren von un­se­rem Trupp? Al­le tot – und war un­ter ih­nen kei­ner, der so gut war wie ich und es eben­so ver­dien­te, ge­ret­tet zu wer­den? Nein, es gibt einen viel di­rek­teren Grund für mein Über­le­ben. Ge­trie­ben von der Er­kennt­nis, daß er mensch­lich war, hat­te ich ihn vor der Ex­plo­si­on ge­schützt. Noch drei an­de­re über­leb­ten die Ex­plo­si­on, aber sie star­ben, weil sie un­ge­schützt wa­ren in den Stun­den, be­vor der Sa­ni­täts­trupp ein­traf. Die Son­ne rös­te­te sie zu To­de. Ich starb nicht, weil der Null stun­den­lang über mir stand, wäh­rend die Son­ne auf­stieg und auf die Fel­sen brann­te, und sein Schal­ten schütz­te mich vor der Son­ne. Ich be­haup­te nicht, daß er sich das ganz be­wußt aus­ge­dacht hat und mich ab­sicht­lich schütz­te (ob­wohl – wer weiß?), aber ich hat­te ihm die ein­zi­ge Wär­me ge­ge­ben, die er wäh­rend sei­nes lan­gen, schmerz­vol­len Alp­traums ge­spürt hat­te, und des­halb blieb er bei mir, als ihn nichts mehr dar­an hin­dern konn­te fort­zu­lau­fen – und das Er­geb­nis war das­sel­be. Man braucht kei­ne In­tel­li­genz, kei­ne Wor­te, um auf Em­pa­thie zu rea­gie­ren. Sie läßt sich durch ei­ne Be­rüh­rung mit den Fin­gern mit­tei­len – Sie wis­sen das, wenn Sie je ein Tier be­sa­ßen oder wenn Sie schon ein­mal ver­liebt wa­ren. Des­we­gen wur­de ich ver­schont, Wär­me für Wär­me, der­sel­be Grund, aus dem al­les Gu­te in die­sem Le­ben ge­schieht. Als die Sa­ni­tä­ter ka­men, schos­sen sie den Null nie­der, weil sie glaub­ten, er wol­le mir et­was an­tun. So­viel zum über­na­tür­li­chen Lohn des Ge­rech­ten.
    Em­pa­thie al­so ist es, was das Le­ben zu­sam­men­hält. Sie ist das

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