Kopernikus 6
erst mal erholen und an die Luft hier draußen gewöhnen. Es gibt Bedingungen. Aber die erfährst du. Und – auf meine Freunde kannst du dich verlassen!“
Eine Stunde später stand Frank vor einem alten fünfstöckigen Haus im Bahnhofsviertel und studierte die Namensschilder neben den Klingelknöpfen.
Bevor er läutete, versuchte er die Haustür. Sie war nur angelehnt.
Er stieg zum vierten Stock empor und blieb vor einer Tür mit Rauhglasscheiben stehen, durch die ein Lichtschein aus dem Innern der Wohnung in das düstere Treppenhaus fiel.
Er läutete. Aber zunächst tat sich nichts, so daß er seinen Versuch wiederholte. Dann hörte er, wie drinnen jemand umherging. Doch es dauerte noch mehrere Minuten, bevor die Tür geöffnet wurde. Eine verschlafene Brünette im Morgenrock starrte ihm mißmutig entgegen.
„Der Wirt von der ‚Letzten Zuflucht’ schickt mich her.“
„Komm rein!“
Sie öffnete die Tür weiter, ohne daß jedoch ihr Gesichtsausdruck freundlicher wurde.
Frank trat in eine üppig ausgestattete Diele. Ein dunkelroter Teppich, hellblaue Tapeten mit Goldmuster und riesige Spiegel erzeugten eine recht schwüle Atmosphäre. Mehrere geschlossene Türen verteilten sich links und rechts des Ganges. Im Hintergrund stand eine halb offen.
„Leo Schatz, da ist Besuch für dich“, rief die Brünette.
Aus dem offenstehenden Zimmer kam das Gebrummel einer männlichen Stimme.
„Komm mit!“ forderte das Mädchen Frank auf.
Er hatte seinen Koffer abgestellt und folgte ihr unsicher. Der Raum, den sie betraten, enthielt nichts weiter als ein riesiges rundes Bett, einen Fernsehapparat und eine Stereoanlage mit gewaltig dimensionierten Lautsprechern unter der Decke.
Zwischen Kissen und zerwühlten Laken entdeckte Frank eine nackte männliche Gestalt, die allerdings im Augenblick nicht bereit schien, sich mit ihm abzugeben. Das Mädchen warf den Bademantel von sich und verkroch sich unter die Bettdecke. Frank verspürte ein trockenes Kratzen im Hals.
Schließlich drehte der Mann sich auf den Rücken und starrte ihn an.
„Scheißkerl!“ war sein wenig freundlicher Gruß. Das Mädchen sagte nichts.
„Ich hau ab und komm später wieder.“ Eine Entschuldigung fiel Frank nicht ein.
Der Mann angelte sich ein Päckchen Zigaretten vom Boden.
„Jetzt scheiß dir nicht ins Hemd! Toni schickt dich her? Kommst du von drinnen?“
„Du würdest mir helfen!“
„Hat er dir die Bedingungen erklärt?“
„Ungefähr. Aber ich brauch erst mal ’n paar Tage Zeit.“
Der Mann gähnte unverhohlen.
„Okay! Jo, Baby, zeig ihm sein Zimmer! Aber bleib nicht so lange!“
Eine Stunde später – Frank hatte seine wenigen Habseligkeiten im Schrank verstaut und auf dem Bett liegend ein paar Zigaretten mehr geraucht – klopfte es kurz, und Leo trat ins Zimmer. Er war jetzt frisch rasiert und ausgesprochen elegant gekleidet. Eine Spur zu auffällig, fand Frank.
Leo lehnte sich an den Türrahmen.
„Weshalb warst du drin?“
Frank drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und setzte sich auf.
„Weil mich jemand hochgehen ließ.“
„Du weißt, wer’s war?“
„Klar!“
„Und?“
„Da ist nix mehr ‚und’. Den hat’s kurz darauf erwischt. Für immer!“
„Zwölf Jahre sind ein Haufen Zeug!?“
„Da war ’n Nachtwächter!“
„Du hast ihn …?“
„Ich hab’s erst hinterher erfahren. Umlegen wollt ich ihn nicht. Ehrlich!“
„Wie viele wart ihr?“
„Drei.“
Leo ging zum Fenster und ließ sich dort in einen der tiefen Plüschsessel fallen.
Das Zimmer wies eine recht komfortable Einrichtung auf. Der Breite des Bettes nach zu urteilen war es normalerweise nicht nur für eine Person als Nachtquartier gedacht.
„Wer war noch drin?“
Leo schien wirklich sehr interessiert.
„Nur
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