Kopernikus 6
hatte er schließlich darauf erwidert.
Sein Hubschrauber näherte sich dem flachen Dach des riesigen Mausoleums, das jedes andere Gebäude der Stadt überragte. Wie vorher vereinbart, gingen die anderen beiden Hubschrauber zuerst hinunter und bombardierten die Abwehr. Das Gegenfeuer kam unregelmäßig und unkoordiniert.
Böen von Schmutz spritzten gegen den eintönig grauen Himmel über den Abhang, als der gepanzerte Jeep seine Fahrt verlangsamte und schließlich am vorderen Schützengraben zum Stehen kam. Eine Explosion schleuderte Schmutz und Steine in die stickige Luft und verwandelte die aussteigenden Männer in farblose Schatten. Einen Augenblick lang betrachtete der Fahrer, Whitehead, den sich wieder zu Boden senkenden Staub. Die Wasserfarben-Landschaft bildete sich jenseits des plötzlich aufgerissenen Kraters aufs Neue. Ein paar Meilen entfernt lag ein verlassenes ländliches Dorf aus schmucklosem Stein um eine alte, hingeduckte Kirche. Dort drinnen, nur erleuchtet durch vereinzelte Lichtstrahlen, ruhten die Symbole unangetasteten Glaubens, die Jahrhunderte, bis zur Vertreibung des türkischen Einflusses, zurückgingen. Die Mater Dolorosa des Balkans, Ikonen, große, geschmückte Kerzen und byzantinische Wandteppiche, alles dem hereinbrechenden Krieg preisgegeben. Über die Öde der Berge zerstreut hausten die Flüchtlinge, Fremde, unbegreifliche Menschen, die ihr Leid hinnahmen, das in jeder Pore eingeätzt war; viele Familien trugen ihre Träumer mit sich.
Widerwillig folgte Whitehead den beiden Offizieren die erdigen Stufen in den Schützengraben hinunter. Ein arischer Soldat in schmutziger Zivilkleidung salutierte, ließ sie vor sich her an den Ställen vorbei zum Befehlsbunker gehen. Whitehead bewegte sich langsam, der Boden unter seinen Füßen war schwammig, der Schmutz nur überdeckt durch Lagen von Sackleinwand. Gelegentlich standen Soldaten in grauen Gruppen schlaff zusammen und warfen feindselige Blicke um sich, die so genau und treffsicher waren wie die Kugeln von Heckenschützen.
„Der Krieg ist das einzig Beständige, das uns geblieben ist“, führte Captain Greaves aus. Der Bunker war feucht. Schlecht beleuchtet von einer nackten Glühbirne, die von der feucht-fleckigen Decke hing und mit einer Autobatterie auf dem Kartentisch verbunden war.
„Die Armee hatte immer zwei Aufgaben zu erfüllen. Jene zu vernichten, die der Regierung außerhalb der Landesgrenze nicht genehm waren, und ebenso jene zu vernichten, die es innerhalb der Grenzen nicht waren. Loyalität ist käuflich. Aber zu welchem Preis? Wer bezahlt die Zeche?“ Die Abgesandten der meuternden Divisionen zeigten sich unbeeindruckt.
„Wir verlangen keine Loyalität zu den Regierungen. Aber zum Überleben der westlichen Kultur. Überall in der Welt erwachen die Träumer. Die politischen Karten müssen neu gezeichnet werden, um sie den neuen Machtstrukturen anzugleichen. Wir müssen sicherstellen, daß unser Machtblock günstig daraus hervorgeht. Das ist die grundsätzliche Philosophie des Überlebens. Wenn wir unter den neuen Bedingungen konkurrieren und leistungsfähig bleiben wollen, müssen wir so viele ihrer Träumer-Gehirne erwischen, wie wir können, bevor sie erwachen.“ Die Soldaten sahen wie Briganten aus, überlegte Whitehead. Sie hatten ihre eigene Philosophie des Überlebens herausgefunden.
„Die Auswirkungen der Träumer-Seuche waren doppelter Natur. Einmal befiel sie dreiviertel der Weltbevölkerung und brachte Stadt, Nation, Industrie und Landwirtschaft zum Stillstand. Die Träumer
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