Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
Vom Netzwerk:
schlie­fen, at­me­ten flach, nah­men nichts zu sich und leb­ten doch – al­ter­ten auf na­tür­li­che Wei­se. Man konn­te sie ver­stüm­meln oder tö­ten, trans­por­tie­ren, in Ge­wöl­ben oder Mau­so­leen auf­be­wah­ren, aber nicht auf­we­cken. Be­reits wäh­rend der ers­ten zehn Jah­re wur­de die Zi­vi­li­sa­ti­on schnell ab­ge­tra­gen. Rie­si­ge In­dus­trie­un­ter­neh­men wur­den preis­ge­ge­ben und dem Rest über­las­sen, Städ­te dem Ver­fall, wäh­rend klei­ne­re, au­to­no­me Ein­hei­ten wei­ter­be­stan­den. Nach den Zu­sam­men­brü­chen der ers­ten Jahr­zehn­te schlu­gen sich Krieg, Re­vo­lu­ti­on und ter­ri­to­ria­le Aus­ein­an­der­set­zun­gen in neu­en Gren­zen nie­der. In den zer­fal­le­nen Städ­ten ver­gin­gen die Epi­de­mi­en, und die Ord­nung – wenn man sie noch so nen­nen will – er­stark­te wie­der. Dann, zwan­zig Jah­re nach dem Phä­no­men des ers­ten Träu­mers, be­gan­nen sie zu er­wa­chen. Die Welt­be­völ­ke­rung, die auf ei­ne Zahl von klei­nen Ge­mein­we­sen zu­sam­men­ge­schrumpft war, ver­viel­fach­te sich plötz­lich in ei­ne Welt von ver­las­se­nen, aus­ge­stor­be­nen Städ­ten und den ver­rot­te­ten Ge­häu­sen un­be­nutz­ba­rer Ma­schi­nen. Der Zu­sam­men­bruch und die nach­fol­gen­de Not wa­ren von bei­spiel­lo­sem Aus­maß.“ Das Film­bild ver­schwand. Das Licht er­schi­en wie­der in den Licht­ke­geln an der De­cke der Vor­trags­hal­le.
    „Sie wa­ren Träu­mer“, sag­te der al­te Tang­he aus sei­nem Roll­stuhl her­aus. „Aus dem Cha­os ge­ret­tet, das die Welt heim­such­te, hier­her ge­bracht, auf mei­ne In­sel. Aus­ge­wählt auf­grund ih­rer spe­zi­fi­schen Kennt­nis­se vor dem Zeit­punkt ih­res Er­wa­chens. Ge­nau in die­sem Au­gen­blick be­fin­det sich mein Sohn in Ost­eu­ro­pa bei ei­ner sol­chen Ret­tungs­mis­si­on.“
    Der ers­te Hub­schrau­ber ging, ge­zeich­net mit den Ein­schlä­gen der Ge­wehr­ku­geln, her­un­ter und spuck­te Sol­da­ten über die kar­ge, sur­rea­le Ein­öde der Ver­tei­di­gungs­an­la­ge des Mau­so­le­ums. Ge­schütz­feu­er ex­plo­dier­te um je­den her­ab­stei­gen­den Mann. Der zwei­te Hub­schrau­ber be­leg­te das Ge­bäu­de mit au­to­ma­ti­schen Waf­fen, trieb Mei­ßel aus Feu­er in sei­ne mo­no­li­thi­sche Fassa­de. Die Ver­tei­di­ger han­del­ten un­ko­or­di­niert, un­ter Druck und noch be­nom­men von der Über­ra­schung.
    Be­ny­ons Hub­schrau­ber lan­de­te oh­ne wei­te­re Stö­rung auf der wei­ten Flä­che des Daches, und ei­ne Ko­lon­ne von Män­nern ström­te her­aus, die Tang­he in Rich­tung Zen­trum führ­te. Die Ver­tei­di­ger stell­ten den Kampf ein; ih­re Zah­len er­schöpf­ten sich, als ih­re Auf­merk­sam­keit, wie ge­plant, auf den fron­ta­len An­griff ge­lenkt wur­de. Gra­na­ten zeich­ne­ten Spin­nen­net­ze in die Glas­p­lat­ten, zer­fetz­te, uni­for­mier­te Män­ner la­gen über den Ge­schütz­auf­bau­ten. Tang­he führ­te die Män­ner durch den Kom­plex zu den Lift­schäch­ten, die tief in das Herz des Mau­so­le­ums reich­ten. Sie tra­fen auf kei­nen Wi­der­stand, bis sie auf dem 23. Stock­werk an­lang­ten, wo ein Feu­er­ge­fecht das Ein­drin­gen um Mi­nu­ten ver­zö­ger­te, die ih­nen wie zehn Jah­re er­schie­nen. Der zen­tra­le Kom­plex wur­de gut ver­tei­digt. Die Ein­dring­lin­ge schos­sen sich ih­ren Weg durch bru­ta­le Feu­er­ge­walt frei. Dann tauch­te ein neu­es Pro­blem auf, das des Stand­ortes. Wäh­rend die Trup­pen die Aus­gän­ge frei­hiel­ten, be­gan­nen Tang­he und Be­ny­on die Da­ten­bän­ke aus­zu­wer­ten. Elek­tro­ni­sche Im­pul­se husch­ten über die Mo­ni­to­ren. Der Com­pu­ter barg die ge­naue La­ge von bei­na­he ei­ner Mil­li­on Träu­mer, die über Hun­der­te von Stock­wer­ken ver­teilt wa­ren, fünf­zig da­von un­ter­ir­disch. Sie such­ten nur einen Na­men.
    Tang­he wisch­te sich den Schweiß von der Stirn. „Der Mar­xis­mus kann als letz­tes Re­likt des ‚Zeit­al­ters der Ver­nunft’ be­trach­tet wer­den“, hat­te sein Va­ter er­klärt. „Die letz­te Phi­lo­so­phie, die für sich in An­spruch nimmt, al­les mit dem Ver­stand zu er­fas­sen.

Weitere Kostenlose Bücher