Kopernikus 6
Erinnerung an ihr vorheriges ‚Leben’ gab. Aber ihr Bewußtsein schien erst bei dem Moment einzusetzen, als er sie mit in die Simulationshalle genommen hatte.
Vielleicht lag darin auch die Begründung, daß sie keine der negativen menschlichen Eigenschaften besaßen – der für ihn negativen Eigenschaften.
Er war sehr zufrieden.
Plötzlich bemerkte Frank einen Schatten. Instinktiv sah er auf. Auf der Besucherbrücke erkannte er riesengroß Leo.
Ein paar Tropfen glitzerten in der Sonne auf, die aus der Coladose spritzten, die gerade Leos Hand verlassen hatte.
Frank hatte keine Zeit mehr, sich wegzuducken.
Manch einer der Besucher glaubte, einen winzigen Schrei zu vernehmen, als eine der Miniaturfiguren dort unten von einer Getränkedose erschlagen wurde.
In der Simulationshalle erwartete Leo Veronika, die mit dem Geldkoffer sowie Elke, Rosi, Silvia und Renate aus einer der Fahrzeugattrappen stieg.
Andrew Darlington
Traumseuche
A PLAGUE OF DREAMERS
Das Mausoleum lag auf der anderen Seite einer verwüsteten Straßenschlucht inmitten der verödeten Stadt. Tanghe bewegte sich geduckt und insektengleich vom Geländer über den Dachfirst auf den Schwärm von Hubschraubern zu. Drei warteten dort, die Flügel schnitten langsamer durch die Luft, die flirrende Bewegung spiegelte sich darunter im ausgebuchteten Glas der Pilotenkanzel. Dort, halb verdeckt durch die Spiegelung, saßen behelmte Piloten und Männer in paramilitärischer Kluft. Tanghe zog sich vorbei an Pfützen verfaulten, grünen Regenwassers senkrecht hoch, wobei der Zugwind an seinem Haar riß, dann über die Kufen herauf zur Tür des wartenden Hubschraubers.
„Soweit ich es ausmachen kann, herrscht ziemliche Unordnung. Lediglich die Notbesatzung ist auf dem Posten. Die anderen sind auf der Straße. Sollte nicht schwierig sein reinzukommen.“
Benyon war in Leder gekleidet und wirkte wie ein Roboter, der Helm mit dem Sprechgerät und der Schutzbrille verdunkelte sein Gesicht. „Könnte gar nicht günstiger sein. Aber wir müssen äußerst präzise vorgehen. Können es uns nicht erlauben, Zeit oder Männer zu verlieren. Wir marschieren rein, holen Aldous raus, und ab nach Hause.“
Um sie herum summten Funksprüche. Die Rotoren zischten, peitschten die frostige Luft. Die Hubschrauber erhoben sich in genauer Formation. Tanghe betrachtete die zerstörte osteuropäische Stadt, die sich mit zunehmender Höhe wie auf einer Karte unter ihnen ausbreitete. Er hatte damit gerechnet, daß in den letzten fünf Jahren, als die Träumer wieder zum Leben erwacht waren, die Kontinente mit hungernden Massen überschwemmt würden. Doch die Stadt wirkte verlassen. Nur eine Rauchwolke im Westen und das gelegentliche Aufflackern und Verebben entfernter Geräusche erinnerten an die Einwohner. Der lautlose Blitz einer Explosion jenseits der Gerippe verlassener Wohnblocks, die ziellose, ameisengleiche Bewegung von Truppen, die auf das Kampfgebiet zukrochen.
„Ich sehe keine Möglichkeit, die Reichtümer der Erde zu bewahren“, hatte sein Vater auf der anderen Seite der Welt zu ihm gesagt. „Die soziale Umwälzung wird weiter fortschreiten. Wenn die Zivilisation in irgendeiner Weise bewahrt werden soll, muß sie in abgeschlossenen Zellen überleben. Wir leben nun für die Zukunft. Wir können nur abseits stehen, während die Massen sich selbst vernichten, und retten, was bleibt.“ Tanghe hatte durch das in die Wand eingelassene Fenster über die gleichförmige Insel geblickt, an deren Ufer sich wie eh und je der Pazifik brach. „Haben die Mächtigen nicht schon immer so gehandelt?“
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