Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
Geduld. Eine Sekunde lang herrschte Schweigen, dann stöhnte jemand, ein anderer fluchte, und für den Augenblick war der Bann von D’kotta wenigstens teilweise gebrochen. Wir erwachten soweit, daß wir unser Gerät zusammenpacken konnten. Es wurde sogar geredet, wenn auch nicht viel.
    Heynith übernahm die Spitze und führte uns in lockerer Marschformation schräg den Hang hinunter und dann bergauf zum Kamm. Wir erreichten den Einschnitt, durch den wir gekommen waren, und kletterten an der anderen Seite hinunter.
    Jeder wollte noch einmal einen Blick auf D’kotta werfen. Niemand tat es.
    Irgendwie war es immer noch Nacht.
    Natürlich redeten wir beim Marschieren niemals viel, aber in dieser Nacht war das Schweigen geisterhaft. Man hörte das Knirschen der Stiefel auf dem Steinboden, das leise Rasseln unseres Atems und das gedämpfte Klirren der Messer, die gelegentlich gegen unsere Schenkel schlugen. Man konnte unsere Angst hören, man konnte sie riechen und sehen.
    Wir konnten sie berühren, wir konnten sie schmecken.
    Ich gehörte zu etwas, das so alt war, daß sie sogar den Namen dafür ausgraben mußten, als sie den Schutt der alten Geschichte nach Konzepten durchstöberten, die sich gegen das Kombinat einsetzen ließen. Ich gehörte zu einem „Kommandotrupp“. Fragen Sie mich nicht, was das bedeutet, aber so heißt es. Wenn ich so darüber nachdenke, dann weiß ich schon, was es bedeutet, im leibhaftigen Sinne: Es bedeutet häßlich. Lange, häßliche Tage und Nächte, die in noch größerer Häßlichkeit wiederkehren, wenn man schläft, so daß man überhaupt nicht mehr daran denken will, weil es einem die Augen herausquetscht wie ein Schraubstock. Kalt und finster und naß, und jederzeit springt plötzlicher Tod aus dem Nichts, und es schlägt einem das Bewußtsein der Sterblichkeit ins Gesicht wie einen Gummihandschuh voller Eiswasser. Man lebt in schwankenden Höhen, so daß alles derartig wirklich wird, daß es künstlich aussieht. Man lebt in einer Erwartung, die wie ein Schmerz ist, als säße man rittlings auf einem Zaun, dessen Spitze aus einer Messerklinge besteht, und wartet darauf, daß im Dunkeln jemand vorbeikommt und einen herunterstößt. Man kommt so weit, daß es einem gefällt. Der Schmerz ist so beständig, daß man ihn vergißt. Man vergißt, daß es jemals eine Zeit gab, wo man ihn nicht spürte. Man lebt von Adrenalin.
    Uns gefiel es. Wir waren hingebungsvoll. Wir haßten. Es gab uns eine Möglichkeit, unseren Haß zu benutzen, etwas Greifbares, das wir sehen konnten. Und wir waren seit Jahrhunderten die ersten, die es taten, und auch darin lag ein Genuß. Die Wissenschaftler und Antiquare, die die Quästorenbewegung in Gang gesetzt hatten – man hatte sie bei vollem Bewußtsein und relativ unbewacht arbeiten lassen, damit sie den Wirrwarr der Vorgeschichte aus den über Generationen hinweg ererbten Archiven besser zusammenstückeln konnten –, waren raffiniert gewesen. Sie wußten, ihre einzige Hoffnung, das Kombinat in Verwirrung zu stürzen, lag darin, es mit radikalen Konzepten und Taktiken zu schlagen, mit Dingen, für deren Handhabung es keine Instruktionen besaß, mit Dingen, die außerhalb der Erfahrungen des Kombinats lagen. Also wühlten sie Konzepte aus der Vorgeschichte herauf, aus einer Zeit, die so weit zurücklag, wie die Archive nur reichten. Dabei stießen sie irgendwo sogar auf schriftliche Aufzeichnungen und mußten erst einmal herausfinden, wie man sie benutzte.
    Und unter diesen Dingen fanden sie die Idee des „Guerrilla“-Krieges. Nein, ich weiß auch nicht, was das bedeutet, aber es heißt, daß man das Spiel nach seinen eigenen Regeln spielt und nicht nach denen des Feindes. Oh, Sie lassen den Feind ruhig nach seinen Regeln spielen, verstehen Sie, aber Sie halten sich an Ihre eigenen. Das gibt Ihnen einen breiteren Bewegungsspielraum. Sie tun Dinge. Ich meine, lächerliche Dinge, aber so alt, daß sie sich dagegen nicht verteidigen können, weil sie niemals damit gerechnet haben, daß sie sich gegen so etwas würden verteidigen müssen. Die meiste Zeit über wußten Sie nicht einmal, daß solche Dinge existierten.
    So liefen wir zum Beispiel mit diesen alten Projektilwaffen herum, die sie nach alten Plänen kopiert und dann heimlich in den Autofabs in Massenproduktion hergestellt hatten, indem sie Computerzeit stahlen. Die Dinger arbeiteten mit einer chemischen Reaktion im Innern des Mechanismus, die winzige Geschosse mit hoher Geschwindigkeit

Weitere Kostenlose Bücher