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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Menschen. Keine Statistiken, keine Abstraktionen. Wir hörten ihre Schreie, wir sahen ihre Gesichter, wir rochen ihr Blut, ihr Erbrochenes, ihre Scheiße, ihren Urin, wenn ihre Systeme im Tode zusammenbrachen. Man muß verrückt sein, um so etwas zu tun. Wir waren verrückt. Wir waren ein guter Trupp.
    Zu unserer Gruppe gehörten zwölf, obwohl wir meist in Vier-Mann-Einheiten arbeiteten. Ich gehörte zur Einheit des Truppführers, und mehr als zwei Jahre lang war sie meine Familie gewesen:
    Heynith, untersetzt, mit schütterem Haar und einem Ledergesicht, ein harter, fairer Mann und ein brillianter Organisator;
    Ren, leidenschaftslos, zurückgezogen, schweigsam, von erschreckender Tüchtigkeit und seltsamem Humor;
    Goth, jung, unermüdlich, stierköpfig, mit einer Neigung zu plötzlicher Begeisterung und Depressionen; er war erst seit vier Monaten bei uns, als Ersatz für Mason, der umgekommen war, als er versuchte, einer Razzia in Cape Itica zu entkommen;
    Und ich.
    Wir waren allesamt verkrümmte Männer, jeder auf seine Art ein emotionaler Krüppel.
    Wir waren allesamt verrückt.
    Das Kombinat konnte diese Art von Verrücktheit nie begreifen, obgleich es im Laufe der Jahre Millionen von Menschen getötet oder unpersönlich ausgetrocknet hatte. Sie hatten Angst vor dieser Verrücktheit, sie waren davon verwirrt und konnten ihr niemals planmäßig begegnen oder sie abschätzen. Im Grunde konnten sie nicht daran glauben.
    Auf diese Weise hatten wir den Sender in den Mönchsbergen genommen, wenige Stunden vor D’kotta. Er war unangreifbar gewesen, eingehüllt von Abwehrfeldern, eines über dem anderen, gegen Raketenangriffe, gegen Angriffe mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen, gegen Energiestrahlen, gegen beinahe alles. Wir waren einfach hineinspaziert. Sie hatten niemals damit gerechnet, daß irgend jemand so etwas tun würde, daß es überhaupt möglich sein könnte, auf diese Weise anzugreifen, und so gab es auch keine Verteidigung dagegen. Die Schutzsysteme waren für esoterischere Arten von Bedrohung gedacht. Und selbst nach zehn Jahren allmählich eskalierender Guerrilla-Aktionen glaubten sie eigentlich immer noch nicht, daß jemand seinen eigenen Körper benutzen würde, um Krieg zu führen. Also spazierten wir hinein. Die Besatzung bestand aus einem zehnköpfigen bewußten Techklon und einem Leiter. Keine Nulls, keine Zombies. Die zehn identischen Techniker wimmelten panisch durcheinander, der Leiter starrte uns nur an, voller Unglauben und wohl auch voller Abscheu darüber, daß wir die Verfahrensregeln derart schwerwiegend verletzt hatten. Wir töteten sie, wie man Insekten tötet und ohne eigentlich viel darüber nachzudenken, abgesehen von jenem Teil unseres Ichs, der dauernd darüber nachdachte, der alles aufzeichnete und dann abspielte, wenn wir schliefen. Dann jagten wir den Sender mit chemischen Explosivladungen in die Luft. Und als dann die Flammen emporloderten und Löcher in die Nacht fraßen, holten wir unsere Fahrräder und radelten wie die Teufel auf die Mönchsberge zu, die geduckt vor uns aufragten, zerklüftet wie schwarze Zahnstummel vor dem hell erleuchteten Industriehimmel. Ein Netzfeld hatte eine Sekunde lang nach uns gegriffen, aber dann waren wir fort.
    Das ist alles, was ich persönlich mit der „historischen“ Schlacht von D’kotta zu tun hatte. Es war auch genug. Wir hatten den Weg dafür freigemacht. Ohne die Energie des Transmitters konnten Waffen und Transportsysteme – einschließlich der Lifts, Gleitwege, Iristüren und -fenster, der Heizung, Beleuchtung und Abfallbeseitigung – nicht mehr arbeiten; D’kotta war gelähmt. Ohne die Energiesendungen der Station waren Tausende von Gebäuden, Industriekomplexen, Straßen und Wohnungen in ein Chaos gestürzt, buchstäblich zusammengebrochen. Und was noch wichtiger war: Ohne die Versorgung durch den Sender waren die vier wesentlichen Cerebra von D’kotta – die eine unglaubliche komplexe Vielfalt von militärischen, industriellen und administrativen Aufgaben erfüllten – lahmgelegt, ebenso wie auch eine Anzahl kleinerer Cerebra; die Synapsen brauchen, genauso wie die Ganglioneinheiten der Sophonten, beständig Nahrung, um zu funktionieren, zusätzlich zu dem gleichmäßigen Fluß der psychokybernetischen Strömung, die verhindert, daß sie infolge des Entzugs sensorischer Wahrnehmungen wahnsinnig werden; und selbst die Nulls würden bald außer Kontrolle geraten, wenn sie durch den stechenden Hunger fast zu

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