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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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sich herumzutasten. Er kam an eine Kreuzung, er spürte es an den Luftveränderungen, und ging nach links weiter, weil er Angst hatte, seine Hände von der Wand zu lösen.
    Ein tumber Gedanke: Wenn ich immer nach links gehe, komme ich irgendwie zurück. Aber wohin zurück? Er hatte verabsäumt, immer nach oben zu schauen, um, wenn möglich, auch den geringsten Lichtschimmer sofort erkennen zu können. Aber die Dunkelheit war gnadenlos.
    Was war er denn? Wo war er denn? Wer war er denn?
    Ein halbfertiges menschliches Gestell mit einem unbekannten amerikanischen Soldaten als Vater, der vor lauter Öde auf seiner Mutter herumgerammelt hatte. Und dem versoffenen Subjekt von einem Zuhälter, der nun in dem Loch herumhing, das er als sein Zuhause bezeichnen sollte, was ihm nie gelungen war. Ich bin doch schon immer allein gewesen. Und dabei gehört mein Körper mir noch immer nicht. Wie ungemacht, die groben, verletzten Hände. Und vor allem, was soll ich damit hier unten, wo nur noch Dunkelheit, Stille und Stein und Sand sind.
    Er war in einer Ecke, wo zwei Wände zusammenliefen, zusammengesunken. Schlaf überfiel ihn. Eine gnädige Macht, die von Traumgestalten attackiert wurde. Er versank. Der Schlaf entzog ihn der Wirklichkeit. Er tötet das Gewissen, das Denken, das Handeln. Er spielt mit Halluzinationen. Die Welt wird farbig und voller Bewegungen. Die Größen der Gegenstände verschieben sich. Tödlich ist nur die ständige Wiederholung des Schreckens. Die Endlosschlaufe. Der Körper atmet tief durch, um weiterleben zu können. Um das Panikanhängsel am Leben zu erhalten in der lebensverneinenden Umwelt. Er schlief.
    Aus dem Schlaf wurde er gerissen, als lose Steine, Mörtel und Sand auf ihn herunterrieselten. Instinktiv wälzte er sich, noch benommen, zur Seite, weg von der Wand, die zusammenstürzen und ihn unter sich begraben könnte. Er wälzte sich in den offenen Raum, ins Leere hinaus.
    Unter ihm die Erde warf sich brüllend auf. Ein wahnsinniges Bersten war um ihn. Geräusche stürzten zusammen. Die Dunkelheit schien zu zerreißen. Die Erde warf sich brüllend auf. Er wurde hingeworfen und begraben. Er gab die Verantwortung für seinen Körper ab. Jetzt geschieht etwas mit dir, dachte er. Jetzt machen sich Stein, Sand und Erde einen Dreck aus dir. Du wirst hin und her geschmissen. Steine fielen auf ihn, drückten sich in ihn ein.
    Er wimmerte und kauerte sich zusammen, hatte das Gefühl, als würde Luft aus dem Dunkel, in dem er lag, herausgezogen und dann wieder über ihn gepreßt. Schweflige, brennende Luft. Luft, die sich nicht mehr atmen ließ. Er riß den Mund auf und sog die Luft und den Dreck in sich ein. Er strampelte den Sand, den Mörtel und die Ziegel von sich, noch ehe ihm bewußt wurde, daß die Erde aufgehört hatte, sich aufzuwerfen. Die Dunkelheit war vom Staub eingedickt und schwül. Sie schwelte nun auch tief in ihm. Aber immer noch erdrückten ihn Steinwände. Er tastete sich vorwärts und wurde erneut von Lärm niedergeschlagen. Die Materie brüllte auf, überrollte ihn, riß ihn in ihr Innerstes, beleckte ihn blutig. Mit beiden Händen faßte er den feuchten, brennenden Boden. Dunkel und unten und oben bildeten eins. Feucht die Knie und Ellenbogen, auf denen er kroch. Über ihm ein Inferno, das sich ihm nicht mitteilte. Es war zu weit weg. Er war eingedost und trieb den Strom hinunter. Ein Fußtritt. Ein Hund pißte ihn an. Schläge. Er kroch mühsam vorwärts und schmeckte nassen Dreck im Maul. Er preßte sein Gesicht an eine Wand, an die er hingekrochen war. Nach dem Aufwerfen der Erde war die Stille wieder da. Und die Dunkelheit. Nur die Steine buchstabierten sich in seinen weichen Leib. Er fuhr sich mit der Hand zwischen die Beine und rieb sein Geschlecht. Es war da, klein, verschrumpelt, verängstigt, aber es war da. Er spürte, daß etwas Entsetzliches, etwas Unwiederbringliches mit der Materie um ihn vorgegangen war. Und wieder schlief er ein und ließ es zu, daß Traumgeschehen den Schrecknissen, die sein Körper kaum noch aufzunehmen imstande war, entfloh, indem er die Schrecknisse bis ins Absurde durchspielte. Er trieb mit Entsetzen Scherz. Das war sein momentanes Überlebensprogramm. Und schlief. Schlief lange, existierte für Raum/Zeit nicht mehr. Existierte nicht mehr für die Form, in der sich die Materie gerade organisierte, sich vom Bewußtsein erholte. Verschlief, wie sie sich in einem Dritten Weltkrieg, in einem strategischen Inferno ohnegleichen, über ihm austobte und

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