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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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zu­fäl­lig die Keh­le durch­ge­schnit­ten, und, nach­dem er sich im lee­ren La­den vol­ler Schuld­ge­füh­le um­ge­se­hen hat­te, ihm das Tuch über das Ge­sicht ge­zo­gen, um den Be­weis sei­ner Fahr­läs­sig­keit zu ver­ber­gen. Die­se schein­ba­re Leb­lo­sig­keit weck­te auch in Tony selbst ei­ne be­un­ru­hi­gen­de Er­in­ne­rung. Vor zwan­zig Jah­ren, als er sein Ge­schäft ge­ra­de er­öff­net hat­te, war sein Lo­kal ganz un­schul­dig zum Schau­platz ei­nes bru­ta­len Mor­des ge­wor­den. Ei­ner sei­ner Stamm­kun­den, ein lie­bens­wür­di­ger Herr aus Si­zi­li­en, wur­de, als er sich in eben die­sem Ses­sel ra­sie­ren ließ, als Op­fer mar­kiert (wie sich die Zei­tun­gen aus­drück­ten) und vor dem Fens­ter auf dem Geh­steig von ei­nem Ma­fia-Kil­ler über den Hau­fen ge­schos­sen. Tony, der das al­les mit an­ge­se­hen hat­te und nie ver­ges­sen konn­te, ver­dräng­te das grau­sa­me Bild eilends und fuhr mit sei­ner Ar­beit fort. Glück­li­cher­wei­se pas­sier­te der­glei­chen nicht mehr.
    Der Kun­de im drit­ten Ses­sel, ein schwar­zer Mann mit weißem Hemd und ro­ter Kra­wat­te, war­te­te ein­fach dar­auf, daß Tony mit dem Kun­den vor ihm fer­tig wür­de. In sei­nem Ge­sicht zeig­te sich kei­ner­lei Un­ge­duld. In ihm drück­te sich viel­mehr Be­lus­ti­gung aus – aber die­se Mie­ne schi­en ihm zur Ge­wohn­heit ge­wor­den zu sein; viel­leicht war sie ihm so­gar „ein­ge­baut“. Tony, der ihn nie zu­vor ge­se­hen hat­te und nun schon ein paar­mal ver­wun­dert zu ihm hin­ge­blickt hat­te, hät­te bei­na­he wet­ten mö­gen, daß dies der Fall war: Denn die­se Au­gen­brau­en schie­nen sehr früh zur Hö­he be­lus­tig­ter Ver­ach­tung em­por­ge­zo­gen wor­den und dann in der Po­si­ti­on un­ter Miß­ach­tung je­der Schwer­kraft ste­cken­ge­blie­ben zu sein. Im La­den be­fand sich auch noch ein vier­ter Kun­de. Er saß auf ei­nem der höl­zer­nen Ses­sel an der Wand und war­te­te wie der drit­te dar­auf, daß Tony fer­tig wür­de; und wie beim ers­ten war nichts vom Ge­sicht zu se­hen, denn er hat­te ei­ne Zei­tung er­grif­fen und hielt sie beim Le­sen vor sich hin. ( EI­SEN­HOWER SCHLIESST SICH DER F OR­DE­RUNG DES PAPS­TES NACH RECHT UND O RD­NUNG AN ver­kün­de­te ei­ne sicht­ba­re Schlag­zei­le). Sein Hut lag ne­ben ihm auf ei­nem an­de­ren Ses­sel; er­trug ei­ne graue Ho­se, blaue So­cken und brau­ne Schu­he.
    Der Kerl im mitt­le­ren Ses­sel ki­cher­te. Er war ein Mitt­drei­ßi­ger mit blon­dem Haar und blau­en Au­gen und kräf­ti­ger Sta­tur: Rie­sen­brust­korb, di­cke Ar­me und Bei­ne. Die gut­mü­ti­ge Ru­he sei­nes Ge­sichts­aus­drucks – und viel­leicht die blo­ße Tat­sa­che, daß er las – tru­gen viel zur Ab­schwä­chung die­ser Merk­ma­le bei, die sonst bei so­viel Mas­se grob und er­drückend ge­wirkt hät­ten.
    Der Mann im drit­ten Ses­sel wand­te ihm die Au­gen­brau­en zu, als woll­te er­fra­gen: „Was gibt es so Lus­ti­ges?“
    „Die­se Ge­schich­te“, er­wi­der­te der blon­de Rie­se, als sei die Fra­ge laut ge­stellt wor­den. „Le­sen Sie manch­mal Science Fic­ti­on?“
    „Nie­mals“, ent­geg­ne­te der mit den Au­gen­brau­en. „Und wie steht’s mit dir, Tony?“
    „Ich ha­be kei­ne Zeit zum Le­sen“, ant­wor­te­te Tony und wand­te sich ab, um Sei­fen­schaum zu schla­gen, den er in ei­nem Kaf­fee­topf er­wärmt hat­te.
    „Sie nennt sich Be­ding­te Zeit und han­delt von ei­nem an­de­ren Zeit­strom …“
    „Ei­nem an­de­ren was?“ Dem Mann mit den Au­gen­brau­en ge­lang das schier Un­mög­li­che – er zog sie noch wei­ter in die Hö­he.
    „Ein an­de­rer Zeit­strom. Ei­ne an­de­re Welt, ei­ne al­ter­na­ti­ve Welt zu die­ser, in der sich al­les an­ders ab­ge­spielt hat.“
    „Wie ist das mög­lich?“ frag­te Tony und schmier­te sei­nem Kun­den den Schaum in den Nacken.
    „Das ist doch Un­sinn.“
    „Das ist die Prä­mis­se, Tony“, sag­te der Le­ser. „Man muß sich mit die­ser Prä­mis­se ab­fin­den, sonst folgt die üb­ri­ge Er­zäh­lung nicht dar­aus. Wie auch im­mer, hör zu: In die­sem Zeit­strom, von dem in der Ge­schich­te die Re­de ist, ha­ben Deutsch­land und Ja­pan den Zwei­ten

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