Kopernikus 7
Castelli, die es Deutschland ermöglicht hatte, als erstes Land die Bombe zu bauen. Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, was geschehen wäre, wenn Castelli, wie er es selbst gewollt hatte, weiterhin in der Abgeschiedenheit seiner Geburtsstadt gelebt und im geheimen gearbeitet hätte …“
„Was hältst du davon, Tony?“ fragte Willy kichernd.
„Das ist verrückt!“
„Hmm“, erwiderte Augenbraue. „Mir gefällt vor allem die Zeile, daß sich die Italiener nur dazu eignen, über Äthiopier zu herrschen.“
Der gutmütige Tony Vespucci wußte nicht recht, wie er auf solches Gerede reagieren sollte, daher löste er seine Ungewißheit mit einem Lachen. „Du vergißt, daß Italien lange Zeit über mehr als Äthiopien geherrscht hat. Habt Ihr schon von der Pax romana gehört?“
„Natürlich“, erwiderte Willy. „Ich habe die Geschichte des Altertums studiert.“
„Na also, Rom hat jahrhundertelang den größten Teil der Welt beherrscht. Und Rom ist bloß eine Stadt in Italien. Wenn eine einzige Stadt zu so was fähig ist – stellt Euch vor, wozu erst das ganze Land fähig wäre!“ Ein New Yorker Stadtpolizist, der in seiner blauen Uniform vor der Auslagenscheibe vorbeiging, hob grüßend den Gummiknüppel vor Tony. „Und wißt Ihr“, fuhr der Friseur fort, nachdem er den Gruß erwidert hatte, „man muß es diesen Römern lassen – denn wie hätten sie die ganze Welt regieren können, wenn ein anderes Volk tapferer, mächtiger oder klüger als sie gewesen wäre?“
„ Touché, Tony!“ rief Willy und griff sich an den Nacken. „Ich glaube, du hast mich geschnitten“.
„Nein, ausgeschlossen. Seit meinen Lehrjahren an der Friseurakademie habe ich niemanden mehr geschnitten.“
„Ach, wirklich?“ fragte Augenbraue, senkte die Stimme und blickte höchst bedeutungsvoll auf den nach hinten gelehnten Körper im ersten Stuhl.
„Ach, der ist ganz in Ordnung. Frag Willy hier. Er weiß es. Er kam herein, als ich diesen Herrn rasierte, und ihm fiel nur plötzlich ein, daß er noch etwas zu besorgen hätte, eilte wieder hinaus und …“
„Ja, ja. Ich kann bezeugen, daß er damals ganz in Ordnung war.“
„Und außerdem“, fuhr Tony fort und gestikulierte mit dem Rasiermesser. „Du hast es nötig. Du siehst selber aus, als habe dir gerade jemand die Kehle durchgeschnitten.“
„Wirklich wahr, er hat recht!“ entgegnete Willy mit einem Seitenblick und einem so deutlich betonten Ausdruck des Abscheus, daß es entschieden nach Unhöflichkeit aussah.
Augenbraue blickte auf die Hemdbrust hinunter und bemerkte, daß die rote Krawatte, die er umgebunden hatte, wirklich eine abstrakte Ähnlichkeit mit einem Schwall Blutes aus der Halsschlagader hatte.
„Wie ungeschickt!“ rief er aus, „Meine Entschuldigung“ – er blickte sich um, als wolle er vage alle Anwesenden einschließen – „allen Betroffenen“. Und mit leiserer Stimme: „Als du mich riefst, bin ich so schnell aus dem Haus gestürzt, daß ich in der Eile nicht darauf geachtet habe, was ich mir umgebunden habe …“
Tony langte hinunter und ergriff mit einer Hand die Krawatte nahe beim Knoten, während er mit dem Rasiermesser in der anderen herumfuchtelte. „Ärgert dich deine Krawatte, schneid’ sie ab …“
„He!“ stieß Augenbraue hervor und „Mein Gott!“ Willy, und jeder zuckte unwillkürlich zusammen, was Tony, der keine derartige Reaktion erwartet hatte, beträchtlich aus der Fassung brachte. „In Ordnung!“ rief Augenbraue, indem er sein überraschtes Zusammenzucken komisch übertrieb. „In Ordnung, ich nehme zurück, was ich über die Italiener gesagt habe.“ Er lachte. Alle drei lachten, auch Tony, der plötzlich sehr verlegen war. Er machte ein
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