Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
schluck­te has­tig einen Schluck kal­ten Kaf­fee her­un­ter und sag­te: „Was? Fünf­zig Jah­re? Du meinst fünf, oder?“
    „Fünf­zig“, wie­der­hol­te Bun­nish.
    „Du bist ver­rückt“, sag­te E. C.
    „Nein“, er­wi­der­te Bun­nish. „Ich bin ein Ge­nie. Habt ihr schon ein­mal von der Zeit­rei­se ge­hört – ir­gend­je­mand von euch?“
    „Das gibt es nicht“, sag­te Pe­ter. „Die Pa­ra­doxa …“
    Bun­nish be­deu­te­te ihm mit ei­ner Ges­te, still zu sein. „Du hast recht und du hast un­recht, Nor­ten. Sie exis­tiert, aber nur auf ei­ne be­grenz­te Art und Wei­se. Aber das reicht. Ich will euch nicht mit Ma­the­ma­tik lang­wei­len, die kei­ner von euch ver­ste­hen kann. Ana­lo­gie ist leich­ter. Man sagt, die Zeit sei die vier­te Di­men­si­on, al­ler­dings weicht sie von den drei an­de­ren auf ei­ne auf­fal­len­de Wei­se ab – un­ser Be­wußt­sein be­wegt sich dar­an ent­lang. Al­ler­dings nur von der Ver­gan­gen­heit zur Ge­gen­wart. Die Zeit selbst fließt nicht, nicht mehr als, sa­gen wir, Brei­te flie­ßen kann. Un­ser Ver­stand fla­ckert von ei­nem Au­gen­blick der Zeit zum nächs­ten. Die­se Ana­lo­gie war mein Aus­gangs­punkt. Ich ha­be mir über­legt, daß, wenn sich das Be­wußt­sein in ei­ne Rich­tung be­we­gen kann, es sich ge­nau­so­gut auch in die an­de­re Rich­tung be­we­gen kann. Ich ha­be je­doch fünf­zig Jah­re ge­braucht, um die Ein­zel­hei­ten aus­zu­ar­bei­ten und das, was ich ei­ne Rück­blen­de nen­ne, mög­lich zu ma­chen.
    Das war in mei­nem ers­ten Le­ben, mei­ne Her­ren, ei­nem Le­ben des Ver­sa­gens und der Lä­cher­lich­keit und Ar­mut. Ich ha­be mich um mei­ne Be­ses­sen­heit ge­küm­mert und ge­tan, was ich tun muß­te, um mich zu er­näh­ren. Und ich ha­be euch ge­haßt, je­den von euch, in je­dem Au­gen­blick die­ser fünf­zig Jah­re. Und mei­ne Ver­bit­te­rung wur­de nur noch grö­ßer, als ich be­ob­ach­te­te, daß je­der von euch Er­folg hat­te, wäh­rend ich mich ab­müh­te und ver­sag­te. Ich ha­be Nor­ten ein­mal ge­trof­fen, zwan­zig Jah­re nach dem Col­le­ge – er hat ei­ne Au­to­gramm­stun­de ge­ge­ben. Du warst so gön­ner­haft. Da­mals ha­be ich mich ent­schlos­sen, euch zu rui­nie­ren, euch al­le.
    Und das ha­be ich ge­tan. Ich ha­be mein Ge­rät im Al­ter von ein­und­sieb­zig Jah­ren vollen­det. Es gibt kei­ne Mög­lich­keit, Ma­te­rie durch die Zeit zu be­we­gen, aber der Geist, der Geist ist ei­ne an­de­re Sa­che. Mein Ge­rät wür­de mei­nen Geist an je­den Punkt mei­nes Le­bens zu­rück­schi­cken, den ich wähl­te, und mein Be­wußt­sein mit all sei­nen Er­in­ne­run­gen das Be­wußt­sein mei­nes frü­he­ren Ichs über­la­gern. Na­tür­lich konn­te ich nichts mit­neh­men.“ Bun­nish lä­chel­te und klopf­te sich be­deut­sam an die Stirn. „Aber ich hat­te noch im­mer mein fo­to­gra­fi­sches Ge­dächt­nis. Das war mehr als ge­nug. Ich präg­te mir die Din­ge ein, die ich in mei­nem neu­en Le­ben wis­sen muß­te, und blen­de­te zu­rück in mei­ne Ju­gend. Mir war ei­ne zwei­te Chan­ce ge­ge­ben, die Chan­ce, ein paar an­de­re Zü­ge im Spiel des Le­bens zu ma­chen. Ich ha­be sie ge­macht.“
    Ste­ve Del­ma­rio blin­zel­te. „Dein Kör­per“, sag­te er un­deut­lich. „Was ist mit dei­nem Kör­per pas­siert, eh?“
    „Ei­ne in­ter­essan­te Fra­ge. Die Wucht der Rück­blen­de tö­tet den zu­künf­ti­gen Zeit­rei­sen­den. Das heißt – den Kör­per. Die Zeit­li­nie selbst je­doch setzt sich fort. Je­den­falls wei­sen mei­ne Glei­chun­gen dar­auf hin, daß sie sich fort­setzt. Mitt­ler­wei­le schaf­fen Ver­än­de­run­gen in der Ver­gan­gen­heit ei­ne neue, ab­wei­chen­de Zeit­li­nie.“
    „Oh, Aus­weich­glei­se“, sag­te Del­ma­rio. Er nick­te. „Ja.“
    Ka­thy lach­te. „Ich kann nicht glau­ben, daß ich hier sit­ze und mir all das an­hö­re“, sag­te sie. „Und daß er …“ – sie zeig­te auf Del­ma­rio – „… das ernst nimmt.“
    E.C. Stu­art hat­te gleich­gül­tig zur De­cke hoch­ge­schaut, mit ei­nem hoch­mü­ti­gen, leicht to­le­ran­ten Lä­cheln auf dem Ge­sicht. Jetzt rich­te­te er sich auf. „Da stim­me ich Ih­nen zu“, sag­te er zu Ka­thy.

Weitere Kostenlose Bücher