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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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und fährt nach Hau­se.
    Drin­nen im voll­ge­pfropf­ten, schweiß­sti­cki­gen Bus ge­steht er sich zum ers­ten Mal ein, daß er viel­leicht alt wird.
     
    Ma­sons Woh­nung lag am Ran­de ei­nes dicht be­bau­ten Vier­tels in ei­ner Stra­ße von her­un­ter­ge­kom­me­nen sechs­stö­cki­gen Sand­stein­ge­bäu­den. Es wa­ren nicht di­rekt Slums, nicht wie die Ge­gend, in der die Far­bi­gen wohn­ten (Ma­son sag­te stur „Far­bi­ge“, auch wenn die Jungs in der Fa­brik von „Nig­gern“ spra­chen), und nicht wie der Be­zirk, wo die jun­gen Leu­te, die Beat­niks, haus­ten, aber ei­ne Ge­gend mit nied­ri­gen Mie­ten, ja. Ar­bei­ter wohn­ten hier, Leu­te mit ge­rin­gem Ein­kom­men. Die wei­ßen Ar­men ver­steck­ten sich hier seit 1920 und späh­ten hin­ter di­cken, ver­bli­che­nen Vor­hän­gen und ris­si­gen Ja­lou­si­en her­vor. Man­che von ih­nen wa­ren nie hier her­aus­ge­kom­men. Die Ein­wan­de­rer wa­ren von den Schif­fen her­un­ter in die­ser Ge­gend un­ter­ge­taucht, sie wa­ren im­mer noch hier, wa­ren im­mer noch Ein­wan­de­rer, noch nach drei­ßig Jah­ren, nur äl­ter und ver­bli­che­ner, wie ver­gilb­te Pho­to­gra­phien. Al­le die, de­nen es nicht ge­lun­gen war, be­trü­ge­ri­sche Po­li­ti­ker oder Gangs­ter oder un­ehr­li­che Rechts­an­wäl­te zu wer­den – al­le ver­ges­sen: graue, mensch­li­che Über­bleib­sel. Auf den Brief­käs­ten stan­den ab­wech­selnd Na­men wie Gold­stein, Ko­wal­c­zyk und Ric­ciar­di. Es war ei­ne dunkle, stil­le Ge­gend mit we­ni­gen großen Ge­schäf­ten, oh­ne Ki­nos und oh­ne rich­ti­ge Re­stau­rants. Es gab ein paar Bow­ling­bah­nen. Am nächs­ten drang die Zi­vi­li­sa­ti­on bis hier­her in Ge­stalt ei­nes ho­hen Be­ton­ge­bäu­des mit Apart­ments für kriegs­ver­sehr­te Ve­te­ra­nen, das ein oder zwei Blocks weit im Os­ten stand, so­wie in dem strom­li­ni­en­för­mi­gen, chrom­blit­zen­den, ne­on­schim­mern­den Ein­kaufs­zen­trum et­wa ei­ne hal­be Mei­le wei­ter im Wes­ten, am Ran­de ei­ner Haupt­ver­kehrs­ader. Im Nor­den leuch­te­ten die Lich­ter der Stadt, und Hoch­häu­ser wan­der­ten über den Ho­ri­zont nach Sü­den: H. G. Wells-Mar­sia­ner, rie­si­ge Flä­chen von wich­tig­tue­risch blit­zen­den Fens­tern.
    Ma­son stieg aus. Am Rinn­stein war ei­ne Pfüt­ze, und er trat mit­ten hin­ein. Er spür­te, wie das Was­ser sei­ne So­cken durch­näß­te. Der Bus ließ ver­ächt­lich sei­ne Tü­ren hin­ter ihm zu­schnap­pen. Rum­pelnd fuhr er da­von, nicht oh­ne ihm den Aus­puff qualm ins Ge­sicht zu fur­zen. Ma­son mach­te sich plat­schend auf den Heim­weg, ein­gehüllt vom Re­gen­dunst, und die Feuch­tig­keit leg­te sich per­lend auf Stirn und Lip­pen. Sei­ne Schu­he quietsch­ten. Ein schwe­rer Koch­dunst lag in der nas­sen Luft, wür­zig und fremd­ar­tig. Ir­gend­wo klap­per­te je­mand mit Müll­ton­nen. Au­tos hup­ten ihn kla­gend an, als sie vor­über­rausch­ten.
    Ma­son ach­te­te nicht auf sie, er fum­mel­te au­to­ma­tisch nach sei­nem Schlüs­sel, als er sich der Haus­tür nä­her­te. Er ver­such­te sich ei­ne Aus­re­de aus­zu­den­ken, um heu­te abend zu Hau­se zu blei­ben. Heu­te war Diens­tag, sein Bow­lin­ga­bend. Kaplan wür­de bald an­ru­fen, und er wür­de ihm et­was er­zäh­len müs­sen. Er hat­te ein­fach kei­ne Lust auf Bow­ling, und sie könn­ten ja um­dis­po­nie­ren und John­son an sei­ner Stel­le ein­set­zen. Er stieß den Schlüs­sel ge­gen das Schloß. Geh schon rein, ver­dammt. Es wä­re das ers­te Mal in sechs Jah­ren, daß er nicht zum Bow­ling gin­ge. Selbst im letz­ten Herbst, als er die Grip­pe hat­te – Him­mel, wie hat­te Em­ma dar­über ge­me­ckert. Als wä­re er von sei­nem To­ten­bett auf­ge­stan­den. Sie hat­te sich im­mer viel zu sehr um ihn ge­sorgt, im­mer noch, nach sechs Jah­ren. Aber zum Teu­fel, jetzt hat­te er eben kei­ne Lust, und das war al­les. Es wür­de nichts scha­den, es war so­wie­so nur ein Trai­nings­abend. Er konn­te es sich leis­ten, die­se ei­ne Wo­che aus­zu­set­zen. Him­mel­arsch, was war denn mit die­sem Schloß los? Ma­son bleck­te im Dun­keln die Zäh­ne. Wie vie­le Jah­re wirst du brau­chen, um zu ler­nen, wel­chen

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