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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Sa­che in sei­nem Le­ben, und dar­an klam­mer­te er sich mit der Ver­zweif­lung ei­nes Er­trin­ken­den.
    Das Glei­ten, das Krat­zen in sei­nem Kopf, das eben jetzt noch hart­nä­cki­ger, bei­na­he über­mäch­tig wur­de, da er sei­ne Auf­merk­sam­keit wie­der dar­auf ver­la­ger­te. Das war doch son­der­bar, oder nicht? Das war un­ge­wöhn­lich. Und es war zu ihm ge­kom­men, oder nicht? Es gab Mil­lio­nen und aber Mil­lio­nen von Leu­ten auf der Welt, aber es hat­te ihn aus­ge­wählt – es war zu ihm ge­kom­men. Und es war Wirk­lich­keit. Es war kein Traum. Er war schließ­lich nicht ver­rückt, und wenn es nur ein Traum wä­re, dann müß­te er ver­rückt sein. Al­so war es Wirk­lich­keit, und das Mäd­chen war Wirk­lich­keit. Er hat­te je­man­den in sei­nem Kopf. Und wenn das Wirk­lich­keit war, dann war es et­was, das noch nie zu­vor ir­gend je­man­dem auf der Welt wi­der­fah­ren war … et­was, wo­von er noch nie ge­hört hat­te, au­ßer in den blö­den Science-Fic­ti­on-Fil­men im Fern­se­hen. Es war et­was, das selbst dort noch nie vor­ge­kom­men war, und es un­ter­schied ihn von je­dem an­de­ren Men­schen auf der Welt. Es war sein ei­ge­nes, ganz per­sön­li­ches Wun­der.
    Zit­ternd ließ er sich in den Ses­sel zu­rück­sin­ken. Das Le­der knarr­te. Dies war sein Wun­der, sag­te er sich selbst, es war gut, es wür­de ihm kei­nen Scha­den zu­fü­gen. Die fun­keln­den Ge­füh­le selbst wa­ren gut; sie er­in­ner­ten ihn ir­gend­wie an sei­ne Kind­heit, an stil­le Gär­ten, an Staub­flöck­chen, die in der Son­ne tanz­ten, an das Meer. Er fühl­te sich (und die Er­in­ne­rung wall­te un­glaub­lich le­ben­dig in ihm auf und ebb­te wie­der ab) wie da­mals, als Sal­ly Ro­gers ihm wäh­rend des Nach­mit­tags­un­ter­richts in der sieb­ten Klas­se hin­ter dem Hü­gel zum ers­ten­mal er­laubt hat­te, ih­re flei­schi­gen, duf­ten­den Schen­kel aus­ein­an­der­zu­sprei­zen: schwe­re­los, vol­ler Angst, zit­ternd vor Span­nung, er­füllt von irr­wit­zi­ger Un­ge­duld. Er schluck­te, zö­ger­te, faß­te Mut. Der Fern­se­her plap­per­te un­be­ach­tet im Hin­ter­grund. Er schloß die Au­gen und ließ sich fal­len.
    Ein Schwall von Far­ben ver­schlang ihn.
    Sie war­te­te dort auf ihn, und dort wur­de hier, als das Be­wußt­sein sei­ner phy­si­schen Um­ge­bung ver­sank, als sein Kör­per auf­hör­te zu exis­tie­ren und nur der flüch­ti­ge Nach­glanz von Bil­dern und freund­li­che, in ab­strak­ten Mus­tern wir­beln­de Pas­tell­far­ben die be­ru­hi­gen­de Schwär­ze durch­bra­chen.
    Sie war hier – gleich­zei­tig hier und sehr weit weg. Ge­nau wie er er­füll­te sie das Hier und nahm doch zu­gleich nicht den ge­rings­ten Raum in An­spruch – und bei­de For­mu­lie­run­gen wa­ren glei­cher­ma­ßen ab­surd. Sie war ge­gen­wär­tig und nichts als das: Es gab kei­ne Bil­der, kei­ne Ge­stalt, nichts zu se­hen oder zu hö­ren, nichts zu be­rüh­ren oder zu rie­chen. Dies al­les war in der Welt der Zeit zu­rück­ge­blie­ben. Den­noch strahl­te sie in ge­wis­ser Wei­se ei­ne end­gül­ti­ge, all­um­fas­sen­de Weib­lich­keit aus, ei­ne ar­che­ty­pi­sche Es­senz, ei­ne queck­silb­ri­ge Mi­schung aus for­dern­dem Feu­er und ei­ner ur­al­ten, in der Art ver­wur­zel­ten Ziel­stre­big­keit, so un­er­schüt­ter­lich und ge­dul­dig wie Eis – und er wuß­te, es war das Mäd­chen (die Frau? der En­gel?) aus sei­nem ers­ten „Traum“ und nie­mand sonst.
    Hier gab es kei­ne Wor­te, aber sie wa­ren auch nicht mehr not­wen­dig. Er ver­stand sie durch Em­pa­thie, durch die kla­re Wahr­neh­mung des Ge­fühls, die jen­seits al­ler Spra­che liegt. Angst durch­zog ihr We­sen wie ei­ne hei­ße ei­ser­ne Fei­le, Angst und das Ge­fühl, un­auf­hör­lich und ver­lo­ren durch ei­ne gren­zen­lo­se, lee­re Trost­lo­sig­keit zu tau­meln, um­ge­ben von Käl­te und hal­len­dem, brül­len­dem Dun­kel. Sie er­schi­en heu­te abend nä­her und den­noch un­vor­stell­bar weit ent­fernt. Er fühl­te, daß sie sich im­mer noch lang­sam auf ihn zu­be­weg­te, noch als sie sich hier tra­fen und in­ein­an­der auf­gin­gen, er fühl­te, daß ihr Kör­per auf dem Weg, den ihr Geist

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