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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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be­ant­wor­te­te er le­dig­lich mit Ni­cken oder Ach­sel­zu­cken, und den täg­li­chen Spieß­ru­ten­lauf des „Hal­lo“, „Wie­der­se­hen“, „Wie läuft’s denn so“ und an­de­rer ri­tu­el­ler Äu­ße­run­gen igno­rier­te er völ­lig. In der Mit­tags­pau­se aß er sehr we­nig und ließ Rus­so den Rest sei­nes Sand­wichs auf­es­sen, oh­ne da­bei in die tra­di­tio­nel­len Aus­ru­fe des Er­stau­nens über den un­er­sätt­li­chen Ap­pe­tit des Ita­kers aus­zu­bre­chen – was in Rus­so wie­der­um ein sol­ches Un­be­ha­gen her­vor­rief, daß er das Sand­wich schließ­lich über­haupt nicht her­un­ter­brach­te. Kaplan kam her­ein und er­zähl­te Rus­so und Ma­son mit ge­dämpf­ter und zu­gleich ent­zück­ter Stim­me, daß der al­te Ha­mil­ton sich von der Hu­re, mit der er sich bei Sa­luz­zio her­um­ge­trie­ben hat­te, end­lich einen Trip­per ge­holt hat­te. Rus­so platz­te fast vor La­chen, wie man es von ihm er­war­te­te, schrie mit schril­ler Stim­me: „Oh­ne Scheiß?“, schlug auf den Tisch und grins­te mit jo­via­lem Ab­scheu bei den Ge­dan­ken an das al­te Schwein Ha­mil­ton mit sei­nem Trip­per. Ma­son grunz­te.
    Kaplan und Rus­so wech­sel­ten über Ma­sons Kopf hin­weg einen Blick, und in ih­ren Au­gen keim­te ei­ne un­be­grün­de­te, in­stink­ti­ve Angst auf: je­nes Un­be­ha­gen, wel­ches die Kol­ben in ei­nem Mo­tor emp­fin­den mö­gen, wenn ei­ner der Zy­lin­der plötz­lich Fehl­zün­dun­gen hat. Ma­son igno­rier­te sie; sie exis­tier­ten nicht; sie hat­ten nie exis­tiert. Er saß an dem Be­ton­tisch und rauch­te un­auf­hör­lich mit geis­tes­ab­we­sen­der Wild­heit; er rauch­te je­de Zi­ga­ret­te kaum halb auf, be­vor er sich da­mit ei­ne neue an­zün­de­te und den Stum­mel zi­schend in dem Kaf­fee ver­senk­te, der un­be­rührt vor ihm stand. Der Plas­tik­be­cher war an­ge­füllt mit schwim­men­den, an­ein­an­der­ge­dräng­ten Zi­ga­ret­ten­stum­meln, die sich mit Kaf­fee voll­ge­so­gen hat­ten, fett und schlam­mig. Kaplan und Rus­so mur­mel­ten ei­ne Ent­schul­di­gung und zo­gen da­von, um sich einen an­de­ren Tisch zu su­chen; bei Ma­son fühl­ten sie sich heu­te be­drückt und un­be­deu­tend.
    Ma­son be­merk­te nicht, daß sie fort wa­ren. Er saß da und rauch­te, bis die Si­re­ne er­tön­te, und dann stand er auf und ging ru­hig zu­rück an die Ar­beit. Er ar­bei­te­te me­cha­nisch, er hob den Ham­mer und ließ ihn nie­der­sau­sen, sei­ne Hän­de wuß­ten, was sie zu tun hat­ten, und sie ta­ten es, oh­ne daß es ei­ne Wil­lens­an­stren­gung er­for­der­te; die mäch­ti­gen Mus­keln in sei­nen Ar­men und Schul­tern spann­ten sich, sei­ne Bei­ne wa­ren ge­spreizt, und er glänz­te von Schweiß – ein Au­to­mat, ein Uhr­werk-Go­lem. Sein Ge­sicht wirk­te zu­sam­men­ge­zo­gen und ver­son­nen, als lit­te er an Ver­stop­fung. Das Blut sah er nicht; in sei­nem Hirn tanz­ten die Ge­dan­ken an Li­lith.
    Zwei­mal fühl­te er an die­sem Tag, wie sie sei­nen Geist streif­te; die Be­rüh­rung war über­aus zart, wie von Alt­wei­ber­som­mer­fä­den, aber die Ab­len­kung hier war zu groß, und er konn­te sich nicht stark ge­nug kon­zen­trie­ren. Als er sich nach der Ar­beit wusch, spür­te er die Be­rüh­rung wie­der: zö­gernd, zart und for­schend, als tas­te­te sich je­mand mit Fe­der­fin­gern durch sei­nen Geist.
    Ma­son beb­te, und sei­ne Au­gen wa­ren gla­sig. Er stand da, den Kopf zur Sei­te ge­neigt, und wuß­te nichts mehr von dem hei­ßen Was­ser, das ihm über Rücken und Hüf­ten ström­te, von den nas­sen Flie­sen un­ter sei­nen Fü­ßen, von den trie­fen­den Blechwän­den. Die Sei­fe, die auf sei­nen Ar­men und auf sei­ner Brust trock­ne­te, der Ge­ruch von Hit­ze und nas­sem Fleisch, das schar­fe Zi­schen der Was­ser­dü­sen und das Gur­geln der Ab­flüs­se, das Klat­schen von Le­der­gur­ten und das Schlei­fen von Hand­tü­chern, das wir­re Durch­ein­an­der von nas­sen Fuß­spu­ren der Män­ner zwi­schen Du­sche und Spin­draum, die Sti­ckig­keit von Dampf und Schweiß und der Schwall kal­ter Luft, als je­mand die Au­ßen­tür öff­ne­te, die Rei­hen der Me­tall­spin­de hin­ter den Du­schen,

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