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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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be­klebt mit Play­boy- Aus­klapp-Pho­tos, Por­no­gra­phie aus Ti­jua­na und Fa­mi­li­en­pho­tos, die ab­ge­blät­ter­ten Holz­bän­ke und die Käs­ten mit Fuß­pu­der, die grün­wei­ßen Wän­de des Um­klei­de­raums, die mit be­trieb­li­chen Mit­tei­lun­gen und ko­mi­schen Auf­kle­bern über­sät wa­ren – al­le Ein­zel­hei­ten die­ses Au­gen­blicks, sei­ner Rea­li­tät, sei­nes Le­bens, ver­blaß­ten, sie wur­den zu ei­nem Ge­spenst, sie wa­ren der Schat­ten ei­nes Schat­tens, ver­schwan­den völ­lig, exis­tier­ten nicht. Es gab nur hier , und sie/er war Li­lith. Sie und ih­rer bei­der Be­rüh­rung, un­end­lich viel nä­her noch als in­ein­an­der ver­schlun­ge­ne Fin­ger. Dann zerr­te die Welt ihn da­von.
    Er öff­ne­te die Au­gen. Die Rea­li­tät kehr­te zu­rück, in ei­nem plap­pern­den, übel­keits­er­re­gen­den Schwall. Er küm­mer­te sich nicht dar­um; er war be­nom­men von dem strah­len­den Ver­spre­chen der kom­men­den Nacht. Die Welt ver­fes­tig­te sich. Er trat zu­rück un­ter den Was­ser­strahl der Du­sche und spül­te die Sei­fe von sei­nem Kör­per. Er hat­te ei­ne un­ge­heu­re Erek­ti­on. Un­be­hol­fen ver­such­te er sie mit ei­nem Hand­tuch zu ver­ber­gen.
     
    Ma­son fährt mit dem Ta­xi nach Hau­se. Zum ers­ten­mal.
     
    In die­ser Nacht er­lebt er sei­ne Trans­for­ma­ti­on, er wird aus sich selbst her­aus­ge­ris­sen, sein In­ne­res kehrt sich nach au­ßen. Das Lust­ge­fühl ist so stark, daß es, wie ein Schmerz, in der Er­in­ne­rung ver­schwimmt und rück­bli­ckend nur noch als schwe­rer Schock er­scheint: ein Ge­fühl in Ge­stalt ei­ner Wo­ge von lo­dern­dem, grell­weißem Licht. Es ist ei­ne Lust völ­lig jen­seits sei­ner Vor­stel­lungs­kraft – sei­ne ex­trems­ten Phan­tasi­en fin­den nicht nur Er­fül­lung, son­dern Ver­stär­kung. Und trotz al­ler In­ten­si­tät des Ge­fühls ist es doch zu­gleich sanft, es ist ein Wis­sen, ein rest­lo­ses Tei­len von Emo­ti­on, ei­ne tran­szen­den­ta­le Em­pa­thie. Und da­nach ist nichts als Frie­den – ei­ne Stil­le, die grö­ßer ist als der Tod und den­noch nicht ein­sam. Ich lie­be dich, sagt er zu ihr, und es ist das ers­te Mal, daß er es bei je­man­dem glaubt. Er be­greift, daß Wor­te kei­ne Be­deu­tung ha­ben, aber er weiß, sie wird es ver­ste­hen: Ich lie­be dich.
     
    Als er am nächs­ten Mor­gen auf­wach­te, wuß­te er, daß dies der Tag sein wür­de.
    Heu­te wür­de sie kom­men. Die Ge­wiß­heit durch­puls­te ihn, er at­me­te sie wie Luft, und sie poch­te in sei­nem Blut. Das Wis­sen dar­um drang durch je­de Po­re in sei­nen Kör­per und traf da­bei auf das­sel­be Wis­sen, das dort her­vor­si­cker­te. Es war et­was, das er in sei­nen Kör­per­zel­len spür­te, ei­ne bio­lo­gi­sche Zu­ver­sicht. Heu­te wür­den sie Zu­sam­men­sein.
    Er schau­te an die De­cke. Sie war po­cken­nar­big von Was­ser­fle­cken. Ein tiefer Riß zog sich zick­zack­för­mig durch den ab­blät­tern­den Putz. Es war wun­der­schön. Er be­trach­te­te es ei­ne hal­be Stun­de lang, oh­ne sich zu be­we­gen und oh­ne zu mer­ken, wie die Zeit ver­ging, oh­ne über­haupt zu wis­sen, daß er ei­ne „De­cke“ be­trach­te­te. Dann füg­te sich in sei­nem Kopf et­was trä­ge zu­sam­men, und er er­kann­te die De­cke. Sie stör­te ihn nicht, wie sie es noch am Mitt­woch­mor­gen ge­tan hat­te. Es war ein vor­über­ge­hen­der Zu­stand. Sie be­saß nicht mehr wah­re Be­deu­tung als die Wand ei­nes Schmet­ter­lings­ko­kons nach der Me­ta­mor­pho­se.
    Ma­son roll­te sich auf die Sei­te und stand auf. Er­schöp­fung und Al­ter wa­ren ver­schwun­den. Er war er­füllt von fun­keln­der, knis­tern­der Vi­ta­li­tät; je­des Or­gan, je­de Zel­le schi­en mit ei­nem Höchst­maß an Leis­tung zu ar­bei­ten. Er war so ge­sund, daß „ge­sund“ kein an­ge­mes­se­ner Aus­druck mehr war. Dies war ein neu­er, ein hö­he­rer Zu­stand.
    Ma­son ak­zep­tier­te ihn ru­hig und oh­ne Fra­ge. Sei­ne Be­we­gun­gen wa­ren ent­spannt und be­däch­tig, bei­na­he wie in ei­ner Zeit­lu­pen­auf­nah­me, als schwäm­me er in Si­rup. Er wuß­te, wo­hin er ging und daß sie ein­an­der heu­te fin­den wür­den

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