Kopernikus 8
schüttelte meine Hand und lehnte sich dann gegen die Hecktür, während ich ihn fragte, was hier in der Gegend los sei.
„Florabellas Taverne ist wegen Renovierung geschlossen. In Apopka läuft ein Film, aber das sind fünfundzwanzig Meilen, ’s heutzutage nich’ mehr viel los in Boca Bianca.“
„Ich glaube, da wird auch künftig nicht mehr viel los sein.“ Das war also der Name dieser Stadt: Boca Bianca oder der Weiße Schlund, falls mich mein bruchstückhaftes Spanisch nicht im Stich ließ. Lustig, dachte ich, Boca oder „Schlund“ wies immer auf eine Bay hin, aber dieses Boca ist weder nahe am Atlantik noch an der Golfküste …
„Nein, Sir“, stimmte Bump zu. „Nein, Sir.“
„Apopka bietet wohl die nächste Unterhaltung, was?“ Kein Ort, um mich selbst zu verlieren, wie in Miami, als meine Einsamkeit unerträglich wurde. „Wie steht es mit der Freak-Show?“
„Das is’ das einzige, bis das Florabella wieder aufmacht.“ Bump zuckte die Achseln, „’türlich liegt es etwas abseits vom Weg.“
„Oh, tatsächlich?“ Ich hatte schon immer einen Hang zum Bizarren, und dies schien eine ausreichend geheimnisvolle Ablenkung zu sein, um meine Melancholie zu heilen. „Wie komme ich da hin?“
„Zwei Meilen nach Süden, nach der Kanalbrücke dann links. Sie befindet sich am Ende des Feldwegs, etwa nach einer Meile.“
Ich dankte Bump, stieg in den Horizon und fuhr los, um die dicke Dame, den Jungen mit dem Hundegesicht oder was auch immer für exotische Kreaturen zu bestaunen, die der Version von Boca Biancas absoluter Spitzenklasse entsprechen mochten. Merkwürdig, daß es abseits der Hauptstraße lag, dachte ich. Als die Sterne über den dunkler werdenden Orangenplantagen blinkten, erwartete ich die Pizzikato-Gitarre zu hören, die die Twilight-Zone {1} einleitet.
„George Hallahan“, intonierte die körnige Stimme Rod Serlings in meinem Schädel, „zweiunddreißig Jahre alt. Ein recht seltsam aussehender Idealist, der einmal törichterweise der Meinung war, er könnte durch den Rauch von Cannabis aus dieser ungemütlichen in eine bessere Welt schlüpfen. George fand heraus, daß er nicht einmal sein eigenes Leben zusammenhalten konnte und noch weniger eine kränkelnde Gesellschaft. Jetzt, auf einer abgelegenen Straße in Florida fahrend, ist der desillusionierte albinöse Ex-Hippie-Exporteur direkt auf …“ Direkt auf dem Weg zu einer armseligen Freak-Show. Passend.
Das Stigma der Albinokrankheit war in der neuenglischen Stadt, wo ich meine ersten acht Lebensjahre verbrachte, nicht so schlimm gewesen. Ein Anfall rheumatischen Fiebers machte es mir jedoch unmöglich, das kalte Wetter zu ertragen, und mein Vater, ein Verwaltungsangestellter, nahm auf Drängen meiner Mutter einen Job in Miami an. Deshalb ging die Familie meinetwegen nach Süden, und ich wuchs als geisterhaft Verbannter unter den bronzenen Göttern und Göttinnen auf.
Dann kam der Sommer der Liebe, ich ließ meine weißen Haare lang wachsen, und die Ausgenippten hielten mich für total abgefahren. Als ich zum erstenmal bei einem Rockfestival nahe Orlando Acid warf, gab es noch keinen einzigen zynischen Knochen in meinem Körper – auch nicht, nachdem ich mich von einem ernsthaften Fall von Sonnenbrand erholt hatte, den ich mir beim Nackttanzen unter der brennenden Sonne zugezogen hatte –, doch die Realität hatte bald, während meiner radikalen Collegetage, ihren häßlichen Kopf erhoben. Das Tränengas und die Gummiknüppel, die die Bullen auf der politischen Versammlung in Miami Beach anno ’72 einsetzten, hatten mir eine wertvolle Lektion darüber erteilt, daß die Dinge genau andersherum lagen,
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