Kopernikus 8
als ich angenommen hatte.
Dann war da die Freundschaft mit Joannie gewesen, die ihren Höhepunkt während der Saturn Motor Lodge auf der guten alten Route 31 fand. Liebe? Ich weiß es nicht – zurückblickend glaube ich, daß ich sie nur haben wollte, weil sie ein so hübsches Mädchen war. Klug, brünett, obere Mittelklasse – was wollte ich mehr? Nicht daß sie schuldlos an dieser bizarren Mesalliance von Frau und Freak war. Wie treffend muß es für ihr düsteres, sich gerade entfaltendes soziales Bewußtsein erschienen sein, sich mit einem Eigenbrötler einzulassen. Dannys Geburt hatte diesen speziellen Tagtraum kurz danach zermalmt und erzwang dadurch zwecks Bargeld meine Kapitulation vor dem Menschenfresser Kapitalismus. Jedes einzelne dieser Mißgeschicke war auf eine schmerzvolle, essentielle Art und Weise ein Fehler gewesen, und jedes nahm einen noch größeren Teil meiner Seele mit sich als das Vorangegangene.
Währenddessen war ich an der Kanalbrücke angelangt, konnte aber nicht aufhören, an Danny zu denken. Ich hatte kein Kind gewollt, denn ich hielt uns beide für nicht reif genug, solch eine Verantwortung zu tragen, aber Joannie hatte sich geweigert, eine Abtreibung in Erwägung zu ziehen. Ich habe ihr nie gesagt, wie ängstlich ich war, daß das Kind genauso ein Freak sein würde wie ich. Aber als ich das normale, schöne Baby sah, war ich das erste und einzige Mal in meinem Leben glücklich. Zuerst war Danny etwas Ungewöhnliches, aber als er ein bißchen älter war und wir begannen, einander kennenzulernen, glaubte ich, daß wir mehr als Vater und Sohn waren. Wir waren Freunde.
Dennoch wurde das Gezänk zwischen Joannie und mir schlimmer – und, oh, sie hatte schon immer eine spitze Zunge gehabt. Als wir schließlich beschlossen auseinanderzugehen, gab es keinerlei Zweifel daran, wer besser geeignet war, Danny großzuziehen. Ich war ein alternder Albino-Hippie, der ein zweifelhaftes Einkommen aus dem Exporthandel erzielte. Andererseits war sie fest etabliert; sie hatte nie Drogen berührt, nicht einmal eine Zigarette geraucht. Ich wußte, daß es richtig war, und dennoch nahm ich ihr die Art und Weise übel, wie die Dinge ihren Lauf nahmen.
Ein Jahr war vergangen, seit sie mir meinen Sohn weggenommen hatte. Er war erst fünf, als sein Heim zusammenbrach. Am Sonntag wird er seinen sechsten Geburtstag feiern, und sein Vater hatte zu sehr Angst vor einem verbalen Peitschenhieb („Warum nimmst du keinen Job an, damit du genug Geld verdienst, um Danny mit den Dingen zu versorgen, die er braucht?“), um dort zu sein, wo er Danny helfen konnte, die Kerzen auszublasen. Morgen muß ich ihm mit der Post ein Geschenk schicken. Wird es rechtzeitig in Miami ankommen?
Der Feldweg war staubig und uneben, als die Nacht hereinbrach. Auf der anderen Seite des Kanals gab es keine Orangenplantagen, nur Palmenhaine und Floridapinien. Weiter unten am Weg stand ein Haus aus Schlackeblöcken, einstöckig, ohne Fenster an der Vorderseite, wie ein Pornoschuppen. Das Haus wurde von zwei Sagopalmen flankiert, die sich im Endstadium der „tödlichen gelben Krankheit“ befanden, ihre welken Wedel hingen in der sich vertiefenden Dunkelheit wie schwarze Spinnenbeine herab.
Ich parkte vor dem Haus, und der Horizon blieb im zuckerähnlichen Sand stecken. Ich überlegte, ob seine Räder imstande sein würden, sich freizudrehen, und falls nicht, ob es in Boca Bianca einen Abschleppwagen gab. Während ich zum Haus ging, dachte ich daran, daß ich nicht immer eine derart defätistische Haltung eingenommen hatte.
„Was geschah mit der Woodstock-Generation?“ murmelte ich und rief mir eine
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