Kopernikus 8
Kollegen mit diesem Vergleich wieder allerhand Schindluder treiben werden, daher möchte ich sie hier gleich zu einer Fido-Diskussion herausfordern, wenn sich dies einrichten läßt.
Heldentum erwächst aus dem Mut des Künstlers, seine innersten Produkte der Öffentlichkeit zu zeigen. Der bittere Teil besteht darin, daß der Künstler in seiner Zeit mißverstanden oder abgelehnt werden könnte. Gleichermaßen aus dem schrecklichen Krieg, der zwischen den losgelösten oder chaotischen Elementen im Innern des Künstlers stattfindet, die einander oftmals entgegengesetzt sind und die er einen und dann zu einer homogenen Einheit formen muß. Daher mein Ausspruch von der ‚diskreten Ausscheidung’.“
Fido-Interviewer: „Sollen wir das so verstehen, daß alles ein großer Scheißhaufen ist, die Kunst aber einen seltsamen Wechsel bewirkt und etwas Strahlendes und Goldenes daraus macht?“
„Nicht exakt. Aber Sie sind nahe dran. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt eingehender und ausführlicher darauf eingehen. Augenblicklich möchte ich gerne über Winnegan sprechen. Ähem. Die unbedeutenderen Künstler vermitteln nur die Oberfläche der Dinge, sie sind Fotografen. Aber die wirklich Großen vermitteln das Innere von Wesen und Objekten. Winnegan allerdings ist der erste, der bei einem Kunstwerk mehr als nur ein Inneres vermitteln kann. Seine Erfindung der Alto-Relief-Multi-Ebenen-Technik ermöglicht es ihm, unterirdische Ebenen Schicht für Schicht zu enthüllen und verständlich zu machen.“
Primalux Ruskinson lauthals: „Der große Zwiebelschäler der Malerei!“
Luscus, ruhig, nachdem das Gelächter sich gelegt hat: „In einer Hinsicht ist das nicht schlecht ausgedrückt: Große Kunst bringt die Augen zum Tränen, wie eine Zwiebel. Aber das Licht auf Winnegans Bildern ist nicht nur eine Spiegelung, es wird eingesogen, absorbiert und dann gebrochen wieder abgegeben. Jeder gebrochene Strahl macht dabei nicht nur verschiedene Aspekte der darunter liegenden Skulptur deutlich, sondern ganze Skulpturen. Welten, möchte ich sagen.
Das bezeichne ich als den Pellucidar-Durchbruch. Pellucidar ist das hohle Innere unseres Planeten, das in einem heute vergessenen Fantasy-Roman des Schriftstellers Edgar Rice Burroughs, der im zwanzigsten Jahrhundert lebte, geschildert wird. Er ist auch der Erfinder des unsterblichen Tarzan.“
Ruskinson stöhnt und fühlt bereits wieder eine Ohnmacht nahen.
„Pellucid! Pellucidar! Luscus, Sie wortspielender, leichenfleddernder Scheißkerl!“
„Burroughs’ Held durchbrach die Erdoberfläche und entdeckte im Inneren eine andere Welt. Diese war in mancher Hinsicht das genaue Gegenteil der äußeren Welt, Kontinente, wo an der Oberfläche Meere sind, und vice versa. Ebenso hat Winnegan eine innere Welt entdeckt, das Gegenteil der öffentlichen Botschaft, die jedermann abstrahlt. Und wie Burroughs’ Held auch ist er mit einer erstaunlichen Erzählung von psychischen Gefahren und Erkundungen zurückgekehrt.
Und ebenso wie der literarische Held sein Pellucidar von Steinzeitmenschen und Dinosauriern bevölkert fand, ist auch die Welt Winnegans, obwohl in einem Sinne völlig modern, im anderen doch auch wieder archaisch. Unergründlich und ursprünglich. Und doch existiert auch in der erleuchteten Welt Winnegans ein böser und unauslöschlicher schwarzer Fleck, und der hat in Pellucidar seine Entsprechung in dem winzigen, unveränderlichen Mond, der kalte und unbewegliche Schatten wirft.
Nun hatte ich indessen die Absicht, daß das ursprüngliche ‚pellucid’ Teil von Pellucidar sein sollte.
Weitere Kostenlose Bücher