Kopernikus 8
genauso unerreichbar wie Zekes Planet.
„Er hat nie erzählt, wie er hierherkam“, sagte Levon, „oder warum. Und Sie können ihn fragen, bis Sie schwarz werden. Wenn er über was Ausgefallenes nich’ reden will, dann tut er’s auch nich’.“
Wir standen im Mondenschein bei zwei kränklichen Palmen. Zekes unerklärlicherweise grazile Gestalt war so unbeweglich, wie seine karmesinroten Augen gelassen waren. War mein anfänglicher Eindruck von Qual nichts weiter als eine verzerrte Projektion meines eigenen Schmerzes gewesen?
Dann sprang Zekes Mund hervor und öffnete sich wieder zu diesem schrecklichen stillen Schrei. Wie in freundschaftlicher Reaktion verstummten die nächtlichen Geräusche der Insekten und Schleiereulen. Zeke hob eine Hand und spreizte die Finger, als wolle er die Sterne ergreifen und auf die Erde herabziehen. Sein kleiner Körper zitterte, während er sich auf die Spitzen seiner breiten Füße reckte. Und dann sank er so tief dem Sand entgegen, daß ich annahm, er würde fallen. Er brachte es aber fertig, auf den Füßen stehenzubleiben, und starrte auf das Krabbengras hinunter.
Mein Gesicht rötete sich, und ein Schweißtropfen rollte trotz der kühlen Brise meine Stirn hinab. Ich war verlegen – diese Schmerzvision glich einer verzerrten Reflexion meiner eigenen Seele – und mußte wegsehen.
Deshalb sagte ich Bump und Levon, deren heimelige Gesichter die Tiefe ihrer Gefühle angesichts der Pein ihres Freundes ausdrückten, Lebewohl. Ich nahm fünf Dollar aus meiner Brieftasche und gab sie Levon als kleine Spende.
„Er wird müde“, sagte Levon.
Ich nickte, und ohne mich noch einmal umzuwenden, legte ich die paar Meter bis zu meinem Wagen zurück.
Ich spürte Zeke hinter mir, noch bevor ich ihn hörte. Die Hand an der offenen Wagentür, drehte ich mich zu ihm um. Ich ging in die Hocke, so daß wir uns mehr oder minder in die Augen sehen konnten.
Im diffusen Lichtpegel des Abblendlichts hob Zeke seine fragilen Hände, um meine zu berühren. Ich streckte meine Finger aus, und ihre Spitzen trafen auf die seinen. Seine Finger waren warm, und Gefühle schienen von ihnen auszugehen und auf mich überzuwechseln. Etwas ging auch aus mir heraus. Etwas Saures und Häßliches, das ich viel zu lange mit mir herumgetragen hatte. Zeke absorbierte es, wie ein Schwamm schmutziges Wasser aufsaugt.
Ich möchte nicht sagen, daß ich plötzlich geheilt war, eine Wirkung, die dem Auflegen von Händen zugeschrieben wird – ich war nur erleichtert. Keine Offenbarung oder Reinigung, sondern ein Wechsel, ein Teilen. Zeke teilte meinen Schmerz … und ich den seinen.
Das dauerte nur einen Augenblick, dann trennten sich unsere Fingerspitzen. Ich stand da, immer noch gefesselt von Zekes rubinroten Augen. Sie sahen nicht länger gelassen aus; ich hatte in gewissem Sinne mit ihnen gesehen. Es gab kein plötzliches Fuji-Farbfoto von einer außerirdischen Welt, nur das Gefühl eines Verlusts, der so groß war, daß ein Akzeptieren die einzige Alternative zum Tod gewesen war. Meine Probleme schienen neben denen Zekes so bedeutungslos, daß ich mich für mein Versinken im Selbstmitleid schämte.
„Leb wohl, Zeke“, sagte ich, „und danke.“ Als ich mich ins Auto setzte und die Tür schloß, ging das Licht aus und hinterließ einen vagen, blassen Umriß anstelle von Zeke. Ich startete den Motor und kam ohne Probleme aus dem Sand heraus. Als ich zur Route 31 zurückfuhr, bemerkte ich im Rückspiegel drei schrumpfende Gestalten, zwei Männer und die kleine Gestalt eines Wesens von einer anderen Welt. War er ein Verbannter, ein Flüchtling, ein verirrter Reisender? Er würde auf diesem Planeten sterben, doch auch mit diesem Wissen hatte er das Beste aus seiner Lage gemacht.
Als ich am nächsten Morgen ins Büro hinunterging, um meine Rechnung zu bezahlen, bemerkte ich, daß Bumps Lastwagen nicht auf dem Parkplatz stand. Vielleicht hatte er die Nacht bei Levon verbracht, oder vielleicht war er frühzeitig losgefahren, um einem seiner konventionelleren Kunden ein paar Gartenartikel zu liefern.
Mrs. Nickersons Verhalten hatte sich nicht geändert. Sie sah sich gerade Bowling for Dollars an, wandte sich aber widerwillig ab, um mein Geld entgegenzunehmen. Während ich meinen Scheck unterschrieb, fragte sie: „Haben Sie die Freaks gesehen?“
Ich sah sie direkt an und verbarg meine Feindseligkeit. „Ja, das habe ich. Glauben Sie nicht, daß wir ihnen sehr ähnlich sehen?“
Das Grinsen verschwand aus ihrem
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