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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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bin verloren.
    Als sich meine Wahrnehmung wieder geklärt hat, fallen warme Tropfen auf mich herab. Ich öffne die Augen und sehe die Meister, die Elfleda den Berg hinabführen. Sie ist im Zentrum eines ganzen Netzes von Seilen, die um Hals, Beine und Hufe geschlungen sind. Doch sie reckt den Kopf stolz empor. Einer der Menschen zieht an ihrem schwarzen Schwanz. Sie wendet sich um und schlägt mit einem Huf aus, doch die anderen Menschen zerren sie wieder nach vorn.
    Ich springe auf. Der häßliche Junge will mich aufhalten, doch es ist zu spät. Ich schreie und falle zurück, erzittere, und plötzlich bin ich mit kaltem Schweiß bedeckt. Wenn ich still liegenbleibe, ist der Schmerz nur ein dumpfes Pochen.
    „Tut mir leid“, flüstert der Junge. „Ich wußte nicht …“
    Ich richte mich langsam auf den Ellbogen auf, bemühe mich aber, das Hinterteil nicht zu bewegen. Im Mondlicht ist das Blut schwarz, doch die ersten Sonnenstrahlen werden den Fleck auf meiner Flanke bald in helles Scharlachrot verwandeln. Ich kann die Knochen sehen, die aus meinem gebrochenen Bein hervorstehen.
    Elfleda und die Menschen verschwinden zwischen den Bäumen. Ich sinke zum Boden zurück. Ich kann nur den dämmernden Himmel und den Menschen jungen sehen. „Hilf mir … bitte, hilf mir …“ Doch er wischt die Tränen von den Wangen und streicht sein Haar aus der Stirn. Es muß am Mondlicht und der Dämmerung liegen, daß er plötzlich nicht mehr so häßlich und unsicher aussieht. Hier verschwindet die Magie.
    „Elfleda“, flüstere ich, und der Junge schaut mich verständnislos an, als wüßte er gar nicht, daß sie einen Namen hat.
    Hinter mir kann ich die Schritte zweier Menschen hören, die sich mir zum letzten Mal nähern.

 
Paul David Novitski
Kernspaltung NUCLEAR FISSION
     
    Dunkle Hügel rollten unter dem Zeppelin dahin. Hinter ihm ging eine bleiche Sonne auf und badete den Küstenstreifen davor in goldenes Licht. Spinne lag zusammengerollt in einer Hängematte in seiner Kabine und sah durch das Fenster zu, wie die Landschaft von Willamette unter den Sternen sichtbar zu werden begann. Irgendwo in einer der Gebirgsfalten unter ihr lag das Kuppeldorf, das ihre Heimat war, umgeben von Fichten und Rhododendronbüschen. Sie streckte sich gähnend in der Schlinge aus. Ihr Bruder Fuchsia war wahrscheinlich der einzige, der schon so früh auf den Beinen war – er stand immer schon vor der Dämmerung auf, wanderte den Hügel empor zur Töpferei und arbeitete noch ein wenig vor dem Frühstück. Aber die anderen würden noch schlafen.
    Spinne gähnte erneut. Für sie war es zu spät in der Nacht – oder zu früh am Morgen –, um wirklich ganz wach zu sein. Diese langen Transkontinentalflüge brachten ihren Biorhythmus immer durcheinander. Als sie den Zeppelin in Pennsylvania bestiegen hatte, war es neun Uhr abends gewesen. Während des Fluges war die Sonne hinter ihnen aufgegangen, war über sie hinweggewandert und vor ihren Augen untergegangen. Nun ging sie wieder auf, und obwohl sie während des dreißigstündigen Fluges die übliche Schlafperiode einer Nacht zur Verfügung gehabt hatte, fühlte sie sich erschöpft.
    Sie drehte sich um und glitt geräuschlos aus der Hängematte, dann streckte sie die Schultern in der kühlen Nachtluft. In mehreren anderen Hängematten in der langen Kabine räkelten sich leise schnarchende Gestalten. Spinne ging an den Schläfern vorbei zur Luke.
    Im Bug verharrte sie ein wenig auf der Toilette, dann stand sie auf und spritzte sich kaltes Wasser aus dem Waschbecken ins Gesicht. Sie strich mit langen Fingern ihren zerzausten weißen Afro zurück und betrachtete anschließend ihre flachen, platt gedrückten Gesichtszüge im Spiegel. Im fahlen Licht vom winzigen Fenster des Badezimmers schien sie wie ein Geist im Spiegel zu schweben, wie das Nachglühen einer Person, die ganz plötzlich verschwunden ist. Sie zitterte, trocknete sich geschwind mit dem rauhen Handtuch ab und verließ den Waschraum wieder.
    Als sie die erste Luke zur Linken öffnete, erblickte sie dahinter die Silhouette von Pilotin und Cockpit vor dem Hintergrund der Berge im Dämmerlicht. Hier konnte sie das Schnurren der Motoren noch deutlicher hören. Sie schlüpfte seufzend in den leeren Sessel des Copiloten.
    Die Pilotin sah herüber. „Hallo. Schon auf?“
    „Immer noch. Ich konnte nicht richtig schlafen. Ich bin der Passagier nach Noti.“
    „Oh, richtig.“ Das Gesicht der Pilotin wirkte heiter im diffusen Schein der

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