Kopernikus 8
winkte.
Spatz ging hinüber und ließ sich auf einem Kissen an dem niederen Tisch nieder. Schwan, die ein grünes Kleid trug, murmelte etwas, und die verästelten Falten ihres Gesichts verzogen sich zu einem Lächeln. Spatz lächelte zurück, behielt sein Geheimnis aber für sich, und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein, ohne viel zu verschütten. Er preßte den kühlen Rand des Kruges an die Lippen. Süßer Saft.
Coyote stellte einen Korb Früchte auf den Tisch und nahm gegenüber von Spatz Platz. Seine Lippen bewegten sich hinter dem buschigen roten Schnurrbart: „Was gibt’s Neues?“
Spatz signalisierte mit der Hand: Ich kenne ein Geheimnis!
Coyote keuchte mit gespielter Verblüffung. „Los, spann uns nicht auf die Folter!“
Auch Schwan legte ihr Buch nieder. „Was ist los?“
Spatz sprang vom Kissen und rannte einmal im Kreis um den Tisch, wobei er den Kopf gesenkt hielt, die Wangen aufblies und die Arme fest an die Seiten preßte. Nach einer Runde setzte er sich wieder hin, nahm sich eine Handvoll der Früchte und sah Coyote und Schwan listig an, während er von dem Obst probierte.
Schwan und Coyote sahen einander verblüfft an.
„Mal sehen“, sagte Coyote nachdenklich. „Du hast eine Biene gesehen!“
Spatz schüttelte den Kopf.
„Den Stier auf der Wiese“, sagte Schwan.
Wieder falsch, signalisierte er.
Dann beugte Schwan sich hinüber und legte die Hand auf Coyotes Schulter. Er beugte den Kopf nach vorn und grinste plötzlich. „Es muß ein Schiff sein!“ Er stand auf und ging zum Fenster, das Sonnenlicht elektrisierte sein rotes Haar. Schwan gesellte sich zu ihm, und dann senkte sich plötzlich ein Schatten über das Zimmer und schaltete Coyotes Haar ab. Ein flatterndes Gefühl breitete sich kurzzeitig in Spatz’ Magen aus. Coyote wandte sich um und hörte auf zu grinsen.
Du hast geschummelt! Spatz riß die Hände in die Höhe. Du hast es nicht erraten, du hast geschummelt!
„Ach, komm schon!“ sagte Coyote und kniete vor ihm nieder. „Sei doch nicht so. Ich kann doch auch nichts dafür, daß ich …“ Er blinzelte und versuchte, wieder zu grinsen. „He, Spatz“, sagte er dann. „Gehen wir doch raus und schauen ihm beim Landen zu!“
Spatz preßte die Kiefer aufeinander und wandte sich ab. Seine Freude war verflogen, nun war er traurig und müde. Er wollte Spinne landen sehen, aber nicht, wenn der dumme Coyote, Schwan, Häschen und alle anderen sich draußen drängten. Seine Augen begannen zu schmerzen, und er wischte die Nässe fort. Er riß ein zähes Stück Fruchtfleisch mit den Zähnen ab und kaute verbissen darauf herum. Als er sich schließlich wieder umsah, waren Coyote und Schwan verschwunden.
Er sprang auf und rannte aus der Küche, dann erstarrte er einen schmerzlichen Augenblick in der Hauptkuppel. Das Gefühl in seinem Magen war jetzt stärker, eine niederfrequente und pulsierende Vibration. Daher kehrte er um und rannte nicht hinaus, sondern durch die Flanelltür wieder in sein Zimmer zurück.
Sein Mund klappte herunter und schloß sich langsam wieder. Der gigantische, im Licht der Morgensonne dunkelrote Bulk des Zeppelin erfüllte fast den ganzen Himmel. Er kletterte auf seine Kleidertruhe, wo er auf Zehenspitzen stand, damit er über den Rand der offenen Kuppel sehen konnte. Der Zeppelin schwebte über der Wiese neben dem Haus, darunter standen zwei winzige Gestalten – er sah Coyotes rotes Haar und Schwans weiße Mähne. Dann sank langsam eine Kugel an einem Kabel vom Rumpf des Schiffes herab. Spatz konnte Fuchsias dunkle Gestalt sehen, die von der Töpferei herunterkam, während Rose hinter der Biegung der Hauptkuppel auftauchte. Sie hatte Häschen am Arm, und gemeinsam näherten sie sich den anderen.
Die Kugel, die verglichen mit dem Mutterschiff sehr winzig ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit viel größer als die umstehenden Menschen. Sie schwang sanft an ihrem Kabel, bis sie das Gras berührte. Dann ging eine Tür auf, und Spinnes vertrauter weißer Haarschopf drängte ins Freie. Sie sprang auf den Rasen und griff hinter sich nach ihrem Gepäck. Während sich alle um Spinne drängten, stieg die Kugel rasch wieder in die Höhe. Spatz biß sich auf die Lippen und entspannte seine verkrampften Füße. Jeder umarmte jeden, dann kamen sie auf das Haus zu.
Der Zeppelin erhob sich bereits wieder und entfernte sich vom Haus. Das Rumoren in Spatz’ Eingeweiden ließ nach. Er stieg von der Truhe herunter, blieb einen Augenblick unentschlossen in der
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