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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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wie sich der weitere Tag gestalten wird, wenn er nicht bald hier herauskommt. Aber er muß auch das Bild beenden.
    „Verschwinden Sie, Accipiter“, sagt Chib. „Ich glaube, ich werde Sie dem BPHR melden. Ich bin sicher, Sie haben ein Fido in Ihrem ulkig aussehenden Hut.“
    Accipiters Gesicht ist so glatt und bewegungslos wie das einer Alabasterstatue des Falkengottes Horus. Vielleicht bläht ein wenig Gas seine Gedärme. Er läßt es jedenfalls unbemerkt entweichen.
    „Nun gut, Mr. Winnegan. Aber so einfach werden Sie mich nicht los. Schließlich …“
    „Hinfort!“
    Der Interkom pfeift dreimal. Und dreimal bedeutet Großpapa. „Ich habe mitgehört“, sagt die hundertzwanzig Jahre alte Stimme, hohl und tief wie das Echo aus einer Pharaonengruft. „Ich möchte dich gerne sehen, ehe du gehst. Das heißt, wenn du einige Augenblicke für die Altvorderen erübrigen kannst.“
    „Immer, Großpapa“, verspricht Chib und denkt daran, wie sehr er den alten Mann liebt. „Brauchst du was zu essen?“
    „Ja – und auch etwas geistige Nahrung.“
    Der Tag. Dies Irae. Götterdämmerung. Armageddon. Die Ereignisse spitzen sich zu. Stich-oder-brich-Tag. Laß-oder-faß-Zeit. All die Anrufe und eine Vorahnung auf weitere. Was wird das Ende des Tages bringen?
     
    Omar Runic
    DIE TROCHÄISCHE SONNE GLEITET IN DIE ENTZÜNDETE KEHLE DER NACHT
     
    Chib geht auf die konvexe Tür zu, die in den Zwischenraum zwischen den Wänden rollt. Der Fokus des Hauses ist das ovale Wohnzimmer. Im, gemäß dem Uhrzeigersinn, ersten Quadranten befindet sich die Küche, von sechs Meter hohen Ziehharmonikawänden vom Wohnzimmer abgeteilt, die von Chib mit Bildern ägyptischer Grabkammern bemalt wurden, sein etwas zu subtiler Kommentar zu den modernen Lebensmitteln. Sieben schlanke Säulen im Wohnzimmer markieren die Grenzen von Zimmer und Flur. Zwischen diesen Säulen befinden sich weitere Ziehharmonikawände, die Chib während seiner indianisch-mythologischen Phase bemalt hat.
    Der Flur ist ebenfalls oval geformt, jedes andere Zimmer im Haus öffnet sich zu ihm.
    Kleine Eier in größeren Eiern in ganz großen Eiern in einem Megamonolithen auf einer planetaren Frucht in einem ovalen Universum – die jüngste Kosmogonie deutet darauf hin, daß die Unendlichkeit die Form der Leibesfrucht eines Huhnes hat. Gott brütet darüber und gackert alle paar Trillionen Jahre einmal.
    Chib durchquert den Flur und geht zwischen zwei Säulen hindurch, die von ihm zu nymphischen Karyatiden modelliert wurden, worauf er das Wohnzimmer betritt. Seine Mutter schaut beiseite und betrachtet ihren Sohn, der ihrer Meinung nach rasch in den Wahnsinn strebt, wenn er die Grenze nicht bereits überschritten hat. Das ist teilweise ihre Schuld. Sie hätte nicht angeekelt sein und Es in einem Augenblick der Schwäche abblasen sollen. Nun ist sie fett und häßlich, o Gott, so fett und häßlich. Sie hat keinerlei berechtigte Hoffnung auf einen Neubeginn mehr.
    Das ist nur natürlich, sagt sie sich immer wieder, seufzend, reuig und tränenschwer, daß er die Liebe seiner Mutter aufgegeben hat für seltsame, knackige und vollbusige Freuden jüngerer Frauen. Aber daß er die auch aufgegeben hat? Er ist nicht schwul. Das hat er mit dreizehn hinter sich gebracht. Welches sind dann aber die Gründe für seine Abstinenz? Nicht einmal die Huren besucht er, was sie verstanden, wenn auch nicht gebilligt hätte.
    O Gott, was habe ich nur falsch gemacht? Überhaupt, mit mir ist doch alles in Ordnung. Er wird verrückt, wie sein Vater – ich glaube, dessen Name lautete Raleigh Renaissance – und seine Tante und sein Ururgroßvater. Das liegt nur am Malen und an den jungen Radikalen, den Jungen Rettichen, mit denen er immer herumzieht. Er ist zu künstlerisch, zu sensibel. O Gott, wenn meinem kleinen Jungen etwas zustößt, dann muß ich nach Ägypten.
    Chib kennt ihre Gedanken, die sie so oft ausgesprochen hat, da sie außerstande ist, neue zu haben. Er geht wortlos an der Tafelrunde vorbei. Die Ritter und Ladys dieses getürkten Camelot sehen ihn durch Bier dunst an.
    In der Küche öffnet er eine ovale Tür in der Wand. Er entfernt ein Tablett mit Essen in zugedeckten Schüsseln und Tassen, die ausnahmslos aus Plastik bestehen.
    „Möchtest du denn nicht mit uns essen?“
    „Heul nicht, Mama“, sagt er und geht in sein Zimmer zurück, um noch einige Zigarren für Großpapa zu holen. Die Tür, die die veränderlichen, aber immer kenntlichen elektrischen Felder der Epidermis

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