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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Nie­mand sag­te et­was, sie sa­hen al­le nur ernst oder glück­lich drein. Je­man­dem im Gar­ten wur­de übel, Freun­de hal­fen ihm. Ein Mann, den Co­yo­te nicht kann­te, lach­te laut, ob­wohl sei­ne Wan­gen trä­nen­ver­schmiert wa­ren, und brei­te­te die Ar­me zur Son­ne aus.
    Co­yo­te sah sich nach Spatz um.
     
    „Aber schau dir doch nur die Au­gen an! He, hal­lo, Klei­nes!“ Spin­ne be­rühr­te die win­zi­ge Hand­flä­che mit ei­ner Fin­ger­spit­ze, die Hand schloß sich um ih­ren Knö­chel, die Au­gen schau­ten wie­der­holt zu ihr hin­auf. Spin­ne lä­chel­te auf Wan­de­rer hin­ab. „Hast du das ge­se­hen?“ Sie nahm Wan­de­rers rech­te Hand und schloß sie sanft um die Hand des Ba­bys, die ih­ren Fin­ger um­klam­mert hielt. „Siehst du? Ich mei­ne, fühlst du es? Das ist ein in­stink­ti­ver Me­cha­nis­mus aus der Zeit, als wir noch al­le Haa­re auf Bauch und Rücken hat­ten, an de­nen die Neu­ge­bo­re­nen sich fest­klam­mern konn­ten.“
    Wan­de­rers mar­mor­far­be­ne Au­gen schim­mer­ten feucht, und sie sah zur De­cke em­por. „Ich ver­ste­he“, sag­te sie.
    Spin­ne lä­chel­te und küß­te die Fin­ger der Frau. „Du hast al­les gut über­stan­den, Klei­nes, wirk­lich pri­ma. Das Ba­by ist so­gar ei­ne Sie.“
    Wan­de­rer lä­chel­te er­schöpft und schüt­tel­te den Kopf. „Du weißt, Lie­bes, daß ich schon lan­ge be­haup­te, ei­ne Ge­burt sei we­ni­ger Frau­en- als Men­schen­sa­che. Zu scha­de, daß die Hälf­te un­se­rer Be­völ­ke­rung lei­der au­ßer­stan­de ist, selbst die­sen gött­li­chen Er­schöp­fungs­zu­stand zu er­le­ben.“
    Spin­ne lach­te. „Pss­st. Über Po­li­tik kön­nen wir uns spä­ter un­ter­hal­ten.“ Und plötz­lich war sie trau­rig. Der Ge­mein­schafts­raum war fast ver­las­sen, die Son­ne ging un­ter. Oder viel­mehr, dach­te Spin­ne, die Er­de ging auf. Sie spür­te ei­ne Trä­ne, die ih­re Wan­ge hin­a­b­roll­te. „Wan­de­rer?“ Sie such­te in ih­rer Ta­sche nach ei­nem Stück Pa­pier.
    „Mmm?“ Wan­de­rer schi­en schon fast ein­ge­schla­fen zu sein.
    „Wir se­hen uns spä­ter, ja?“
    Sie nick­te ver­träumt.
    „Sa­gen wir … in ei­nem Jahr?“
    Wan­de­rer öff­ne­te Au­gen, die nicht sa­hen.
    „Ich ge­he“, sag­te Spin­ne mit ei­ni­ger An­stren­gung. „Ich weiß nicht, wo­hin. Wahr­schein­lich nach Os­ten, nach Vir­gi­nia. Ich möch­te et­was Staub zwi­schen den Ze­hen spü­ren und mal was an­de­res se­hen.“ Sie war­te­te dar­auf, daß Wan­de­rer et­was sag­te, aber die­se gab kei­ne Ant­wort. „Ich wer­de im nächs­ten Früh­jahr zu­rück­keh­ren, das ver­spre­che ich dir. Denk doch nur. Die­se klei­ne La­dy hier wird dann schon im Haus um­her­ge­hen kön­nen.“
    Nun lach­te Wan­de­rer un­ter Trä­nen. „Das be­zweifle ich!“
    „Ich lie­be dich“, sag­te Spin­ne.
    „Ich lie­be dich auch.“
    Spin­ne beug­te sich hin­ab und küß­te ih­re Wan­gen, ih­re Lip­pen. Sie lieb­kos­te das Kind, dann er­hob sie sich und ent­fern­te sich rasch.
     
    Mit dem Fahr­rad? Nein, zu Fuß. Den As­phalt­weg ver­las­sen und den Hirsch­pfad im Wald be­nut­zen. Fich­ten, Bü­sche, Brom­beer­sträu­cher und der schwe­re, sü­ße Ge­ruch des Nach­mit­tags. Spatz rann­te den Pfad ent­lang, bis er keu­chend at­me­te. Er blieb ste­hen, zog die Ho­se hin­un­ter und Buck­te sich, um einen hell­grü­nen Trieb zu be­ob­ach­ten, der sich ge­ra­de durch das krü­me­li­ge Erd­reich bohr­te. Ba­by­pflan­ze, Ba­by­mäd­chen. Ster­ben, alt sein. Man selbst sein. War Schwan auch ein­mal ein Ba­by ge­we­sen? Spatz schüt­tel­te nach­denk­lich den Kopf.
    Er frag­te sich, ob je­der bei der Ge­burt so aus­sah. So still, so kläg­lich, schim­mernd, ver­schmiert, so rot und blau und win­zig! Spatz war fast sechs, viel grö­ßer als Wan­de­rers Ba­by, aber ver­gli­chen mit Spin­ne und Co­yo­te und Fuch­sia und Ro­se war er im­mer noch ein Ba­by – und ver­gli­chen mit Schwan wa­ren sie wie­der­um al­le Ba­bys. Und Schwan war auch ein Ba­by, ver­gli­chen mit … mit Dou­glas. Aber wo en­de­te das?
    Er zit­ter­te, denn es war schat­tig um ihn her. Er rich­te­te sich un­ge­schickt wie­der auf und zog die Ho­sen hoch, dann

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