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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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in die Grube ab.
    Sie kam nicht weit. In der Grube befanden sich drei gefangene Dunkle. Sobald sie die Schirme hinter sich gelassen hatte, kam eines auf sie zu. Der Anblick brannte sich tief in Brands Gedächtnis ein. In dem einen Augenblick war da nur Melissa, die in ihrem Raumanzug von ihm fort auf den gegenüberliegenden Rand der Station zuschwebte. Dann Licht.
    Nur ein Aufblitzen. Plötzlich und einen Moment später wieder vorbei. Das wußte Brand. Aber seine Erinnerung hatte diesen Augenblick ausgeschmückt. In seinen Träumen dauerte er länger: Erst flammte ihr Anzug auf und war verschwunden, und sie warf den Kopf zu einem Schrei zurück, dann lohte ihre Kleidung und zuletzt, ganz zuletzt, die Kette und der Kristall. Nackt, in Feuer gehüllt, trieb sie zwischen den Sternen. Sie atmete nicht mehr.
    Und doch lebte sie.
    Ein Symbiont aus Mensch und Dunklem, ein Geschöpf aus Materie und Energie, etwas Fremdes, ein Wechselbalg, ein Neugeborenes mit dem Geist eines Menschen und der Schnelligkeit eines Dunklen. Nicht länger Melissa.
    Ein Flitzer.
    Er konnte es nicht erwarten, ihr zu folgen. Sie winkte ihm und lächelte ihm zu. Auch auf ihn wartete ein Dunkles. Er würde sich mit ihm verbinden, verschmelzen. Dann würden er und Melissa zusammen reisen, schneller als die Sternenschiffe, schneller als das Licht, weiter und immer weiter. Die Galaxis würde ihnen gehören. Vielleicht das Universum.
    Aber der Mann von der Regierung hielt ihn am Arm fest. „Erst sie“, sagte er. Fast ohne ein Zögern stieß sich die dicke Canada ab. Auch sie kannte das Risiko, aber auch sie war eine Träumerin. Sie hatten mit ihr die Prüfungen und die Reise durchlebt, und Brand kannte ihren grenzenlosen Optimismus.
    Sie schwebte in Melissas Richtung, unförmig in ihrem großen Anzug, und streckte die Hand aus. Ihr Radio war eingeschaltet. Brand erinnerte sich an ihre Stimme. „Hallo“, sagte sie, „meines ist aber langsam. Ein langsames Dunkles, das muß man sich mal vorstellen!“ Sie lachte. „Ei, wo ist denn mein kleines Dunkles? Komm zu Mama. Komm zur Verbindung, mein kleiner …“
    Dann ein kurzer, lauter Schrei, noch im Entstehen abgebrochen.
    Und Canada explodierte.
    Der Lichtblitz kam natürlich zuerst. Aber diesmal war hinterher kein Flitzer da. Sie war zurückgewiesen worden. Drei Viertel aller Kandidaten für die Verbindung wurden nicht akzeptiert. Sie wurden statt dessen gefressen. Nur hatte das Dunkle sie diesmal nicht glatt in sich aufgenommen. Sonst wäre nach dem Blitz der Umwandlung nichts übriggeblieben.
    Dieses Dunkle hatte nur ihren Oberkörper abgetrennt. Ihre Beine wirbelten wild herum, nachdem der plötzliche Druckverlust zur Explosion geführt hatte. Ihr Blut gefror schlagartig.
    Der Anblick dauerte nur eine Sekunde lang, weniger als einen Herzschlag, gerade eine Pause zwischen zwei Atemzügen. Dann noch ein Lichtblitz und dann Leere. Nur noch Melissa, die immer noch wartete, jetzt nicht mehr lächelnd.
    „Zu schade“, hatte der Mann von der Regierung gesagt. „Sie war so gut in den Prüfungen. Jetzt kommen Sie.“
    Brand schaute hinüber zu Melissa und zu den Sternen hinter ihr. Aber seine Vision war nicht mehr da. Stattdessen sah er Canada vor sich.
    „Nein“, hatte er gesagt. Zum allerersten Mal war die Furcht über ihm.
    Später ging er hinunter in die Station und übergab sich. Wenn er träumte, wachte er zitternd auf.
     
    Brand ließ Robi mit ihren Dunklen allein und suchte Trost bei seinem Engel.
    Die sanfte, geflügelte Kindfrau erwartete ihn wie immer freudig und lächelnd. Als er eintrat, spielte sie gerade im Schlafnetz und sang vor sich hin. Sofort flog sie in seine Arme.
    Er küßte sie fest, und sie legte ihre Flügel um ihn, und lachend taumelten sie durch die Kabine. In ihrer Umarmung vergingen all seine Ängste. Bei ihr fühlte er sich stark, zuversichtlich, sieghaft. Sie betete ihn an, und sie war leidenschaftlich, sogar noch mehr als Melissa.
    Und sie paßte hierher. Wie die Flitzer war sie ein Geschöpf der Leere. Unter Schwerkraft-Einfluß würden ihre Flügel nicht funktionieren, und sie würde innerhalb eines Monats sterben. Selbst im freien Fall waren Engel kurzlebig. Sie war sein dritter Engel, gezüchtet von den Biotechnikern des Dschungels, die wußten, was ein Jäger für eine Gespielin zu zahlen bereit war. Es kam nicht darauf an. Die Engel wurden geklont und waren einander ähnlicher als Zwillinge in ihrer zarten, aufreizenden, nichtmenschlichen, engelhaften

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