Kopernikus 9
gekommen war, hatte Brand ihren geschmeidigen Körper fest an sich gezogen und sie geküßt. Sie hatte sich nicht gewehrt. Aber ihr Fleisch war kalt, ihre Zunge berührte die seine wie ein Speer aus Eis. Später hatte er hartnäckig versucht, sie zu lieben. Es ging nicht.
Bald hatten sie es aufgegeben. Wenn sie ihn später auf seiner monatelangen Jagd im Schiff besuchte, hielt er nur ihre harte, glatte Hand und sprach mit ihr.
„Es ist besser so, Brand“, hatte sie ihm in diesen ersten Tagen einmal erklärt. „Ich wollte dich ja lieben, aber nur, weil du es wolltest. Ich bin verwandelt, Brand. Das mußt du verstehen. Siehst du, Sex ist wie Essen. Etwas für Menschen. Daran bin ich jetzt nicht mehr wirklich interessiert. Wenn du deine eigene Verbindung hinter dir hast, wirst du das verstehen. Aber mach dir keine Sorgen. Dort draußen gibt es andere Dinge, die das alles aufwiegen. Die Sterne, Liebster. Du solltest die Sterne sehen. Ich fliege mitten zwischen ihnen … und … und … oh, Brand, es ist so herrlich! Wie soll ich es beschreiben? Man muß es fühlen. Wenn ich fliege, wenn ich hindurchstoße, verwandelt sich alles. Der Raum ist nicht mehr schwarz, er ist ein Meer von Farben, das um mich herum wirbelt und brandet, und ich ziehe meine Bahn mitten hindurch. Und dieses Gefühl! Es ist wie … wie ein Orgasmus, Brand, aber es geht weiter und immer weiter, und der ganze Körper singt und schwelgt darin, nicht nur ein kleiner Teil. Man lebt! Und was es dort alles gibt, wovon nur die Flitzer wissen. Den Menschen erzählen wir nur ganz wenig, nur das, was sie verstehen können. Es gibt so viel mehr. Dort draußen ist Musik, Brand, bloßes ist keine Musik. Und manchmal hört man etwas wie einen Ruf von ganz weit her, vom Herzen der Sterne. Ich glaube, der Ruf wird um so stärker, je länger man fliegt. Dorthin ist der Erstverbundene gegangen, weißt du, Adams oder wie immer sein Menschenname war. Darum verschwinden die älteren Flitzer manchmal. Sie sagen, nach einer Weile wird es langweilig, für die Menschen Boten zu spielen. Dann gehen die Flitzer fort zum Herzen der Sterne. Ach, Brand, ich wünschte, du wärst bei mir. Es wäre so, wie wir es erträumt haben. Liebster, fang schnell dein Dunkles für mich.“
Und obwohl Brand seltsame kalte Schauer durchrieselten, nickte er und sagte, das werde er.
Eines Tages tat er es dann.
Zum zweiten Mal kam die Angst. Brand beobachtete seine Anzeigen, die die Nähe eines Dunklen hinausschrien. Fünfmal verhielt sein Finger über der Taste, die die Sicherheitsschirme auslöschen würde. Fünfmal zuckte er zurück. Er sah immer wieder Canadas wirbelnde Beine vor sich. Und er dachte an die erste Hades-Expedition.
Mit dem Gedanken an Melissa drückte er schließlich die Taste nieder. Das Dunkle kam langsam heran. Wozu sollte es sich auch beeilen. Dies hier war kein lichtschneller Blinkieschwarm, sondern nur totes Metall, das durch den Raum kroch.
Aufatmend schloß Brand die Falle. Aber als er den Raumanzug anlegte, überfiel ihn aufs neue die Angst.
Er kämpfte dagegen an. Und wie er kämpfte. Eine Stunde lang stand er zitternd in der Luftschleuse, versuchte den Helm aufzusetzen und schaffte es nicht. Seine Hände flatterten, und er übergab sich zweimal. Als er schließlich geschlagen in der besudelten Luftschleuse zusammensank, wußte er die Wahrheit. Er würde nie eine Verbindung eingehen.
Er brachte seine Beute zum Wechseldschungel zurück, um die Prämie zu kassieren. Die Station bot die übliche Summe, aber ein anderer bot mehr, ein Mann mittleren Alters, der allein mit einem alten Frachter hierhergekommen war. Wie es jedes Jahr Dutzende taten. Ihm, diesem hoffnungsvollen, unqualifizierten Schwärmer, der die Prüfungen nicht bestanden hatte, verkaufte Brand sein Dunkles. Und sah ihn sterben.
Wieder gesellte sich ein verlassenes Geisterschiff zu den anderen Wracks im Dschungel, die dicht an dicht ihre Umlaufbahn zogen, den Überresten anderer Träume.
Brand verkaufte sein Dunkles noch einmal, diesmal an die Wechselstation. Als Melissa einen Monat später zurückkehrte, erzählte er es ihr. Er hatte Tränen, eine Szene, einen Streit erwartet. Aber sie schaute ihn nur merkwürdig unbewegt an. Da bat er sie, zu ihm zurückzukehren.
„Vielleicht können wir zurück zur Erde“, sprudelte er hoffnungsvoll wie ein Kind hervor. „Wir bleiben im Orbit, und die Wissenschaftler können dich untersuchen. Vielleicht können sie die Verbindung rückgängig machen, oder
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