Kopf frei
dazu auf genüssliche Art lassen sich so alle Ziele dieses Trainings erreichen. Wir machen einfach chronisch, was häufig akute Nebenwirkung der Verliebtheit ist. So könnten wir sogar die Verliebtheit mehr im eigenen Herzen verankern, anstatt am Objekt der Begierde zu kleben ... Wer jedoch meint, das Leben sei viel zu ernst, um diesen Trainingspunkt zu kultivieren, kann sich fragen,
► ob es so ernst ist, weil wir es so ernst sehen, oder
► ob es sich lohnt, die Ernsthaftigkeit des Lebens obendrein noch ernst zu nehmen.
Wer findet, das Leben sei wirklich sehr ernst und sollte auch so genommen werden, müsste Spaß- und Quatschmachen unbedingt vermeiden. Wer sich aber lieber aufs Spaß- und Quatschmachen
verlegen möchte, könnte vielleicht folgenden Anregungen etwas abgewinnen.
Beispiele
► Sagen Sie Banales mit gewichtiger Stimme. Etwa: »Ich habe heute die Wäsche gewaschen und gebügelt. Jetzt liegt sie fertig, ganz platt – im Schrank!«
► Machen Sie unpassende Bemerkungen wie: »Wer anderen eine Grube gräbt, braucht selbst mehr Platz« oder: »Morgenstund hat Blei im Knie«.
► Flechten Sie unvermittelt irgendwelche Tierlaute in ein Gespräch ein.
► Machen Sie Späße über sich selbst. Etwa: »Im nächsten Jahr würde ich gerne mal meine Schreibtischplatte sehen.«
► Vermeiden Sie »Sparwitze«. Sie beeinträchtigen Kontakte und Lebensfreude. Sagen Sie über Ihre Gemahlin nicht: »Meine Frau ist sehr sportlich; sie hat’s halt in den Beinen und nicht im Kopf!«
► Verlustieren Sie sich in fantasievollen Spinnereien.
► Führen Sie ein Gespräch über die beste Automarke so: »Nach ausführlicher Analyse des phänomenologischen Gehalts, unter besonderer Berücksichtigung der Reifen, musste ich erkennen, dass, rein ontologisch betrachtet, die Finanzierung nicht übersehen werden darf.«
► Kehren Sie Ihre Meinungen ins Gegenteil. Zum Beispiel, wenn man Sie dafür kennt, dass Sie Zucker für Essmüll halten, dann sagen Sie einfach mal: »Ohne Schokolade ist das Leben eine bittere Angelegenheit.«
► Blamieren Sie sich! Nehmen Sie zum Beispiel mit literarisch durchbildeter Stimme Anlauf, um Goethe zu zitieren: »Goethe hat es so formuliert ...« – und dann wissen Sie nicht weiter.
► Entschärfen Sie Situationen durch irrelevante Bemerkungen. Gut geeignet sind absurde Füllsätze als Füllstoff für jedes Gespräch:
»Bügeln ist eine heiße Sache.«
»Das möchte ich erst mit meinem Hund besprechen.«
»Es wäre mal wieder Zeit, mehr Zeit aufzubringen.«
»Spaghetti sind ziemlich lang.«
»Bei genauer Betrachtung sticht es anders ins Auge.«
»Hier ist es nördlicher als im Süden.«
»Mit jedem Morgengrauen graut uns ein neuer Tag.«
»Elektronisch oder digital – das ist die Frage.«
► Übertreiben Sie. Sagen Sie zum Beispiel: »In der Matratze waren mehr Milben als Einwohner in China.«
► Praktizieren Sie das von mir sogenannte Hawaii-Sprechen: Auf Hawaii, wo meine beste Freundin lebt, war ich erstaunt, dass sie anscheinend alle Menschen dort kennt. Es stellte sich heraus, dass es üblich ist, einfach überall miteinander zu sprechen.
Dieser hawaiianische Usus ist in unseren Breiten (nicht immer allerdings, aber meistens) ein guter Spaßfaktor. Also Fremde »ganz normal« mit vertrauter Stimme ansprechen, so als kennte man sie schon ewig. Zum Beispiel an der Kasse: »Ich ess keine Butter mehr. Und Sie?«
► Stellen Sie absurde, philosophische Fragen. Zum Beispiel: Wo hört die Unendlichkeit auf? Aus wie viel Teilen besteht das Universum? Wie groß ist der Kosmos? Wann ist die Ewigkeit vorbei?
Kommentar: Klar, jeder hat einen anderen Sinn für Humor. Entscheidend ist nur, dass Spaß und Quatsch weder auf eigene noch auf Kosten anderer gehen. So wird Verstrickung vermieden. Echtes Lachen – also kein zynisches, kein auslachendes, kein ironisches, kein sparwitziges, kein höflich erzwungenes –, totales Lachen kann so ansteckend sein, dass wir im Extremfall mitlachen müssen, ohne den Lachanlass zu kennen. Das beweist, wie sehr Lachen verbindet. Wer so lacht, ist vom Ernst und der Schwere des Lebens schlagartig erlöst und jettet auf der Bewusstseinsskala über 50. Jeder Leidensspuk löst sich im Lachanfall auf und relativiert sich. Es ist vielleicht der Gipfel der Flirtkunst, andere aus ihrem Leid heraus und zur Leichtigkeit hin zu locken. Also den Einzelnen tief verstehen und zugleich noch
ernster nehmen als seine leidvolle Situation! Nach dem Motto: »Du bist nicht deine
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