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Kopf Geld Jagd: Wie ich in Venezuela niedergeschossen wurde, während ich versuchte, Borussia Dortmund zu retten. (German Edition)

Kopf Geld Jagd: Wie ich in Venezuela niedergeschossen wurde, während ich versuchte, Borussia Dortmund zu retten. (German Edition)

Titel: Kopf Geld Jagd: Wie ich in Venezuela niedergeschossen wurde, während ich versuchte, Borussia Dortmund zu retten. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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viel Seelenklempnerei begab sich meine Schwester freiwillig in eine neurologische Heilanstalt, um eine ausgiebige Tiefenanalyse zu machen. Viele Jahre später, als ich mit ihr über diese dunkle Phase sprach, antwortete sie schlicht: »No risk, no fun.«
    Erstaunlicherweise bemerkten meine Eltern schließlich ihr offensichtliches Leid und ihren verzweifelten Ruf nach Aufmerksamkeit und Bargeld. Auf ihre eigene seltsame Art liebten sie uns, wenn auch innerhalb ihrer begrenzten Möglichkeiten. Sie hatten ganz eindeutig Mühe, ihre ehrlichsten Gefühle auszudrücken, und fürchteten zudem, andere könnten denken, ihre Tochter sei eine Verrückte. Was würden die Leute sagen?
    Wie auch immer, jedenfalls planten wir, Barbara aus dem Irrenhaus zu befreien. Als wir dort eintrafen, ließ meine Schwester rohes Fleisch fressende Zombies wie ehrfürchtige Mennoniten auf einer Landwirtschaftsausstellung aussehen. Barbara, die unter dem Einfluss von schweren Beruhigungsmitteln stand und ein völlig aufgedunsenes Gesicht hatte, erzählte uns, sie würde dreimal am Tag mit Medikamenten vollgepumpt und hasse diesen Ort, habe aber nicht den Mut, um ihre Entlassung zu bitten. Sie hatte es einige Male versucht, mit dem einzigen Ergebnis, dass ihre Dosis an Antidepressiva deutlich erhöht wurde. Man überzeugte sie davon, dass es einer jahrelangen Analyse bedürfe, um sie von ihrem Ödipuskomplex zu befreien, und jede Unterbrechung der Behandlung in diesem Stadium einem Selbstmord gleichkäme. Nun, drei Tage vor unserem Besuch hatte sie tatsächlich versucht, wie ein Adler vom Balkon der dritten Etage zu fliegen, nachdem sie eine scheußliche pharmakologische Mischung ausgekotzt hatte.
    Mein Vater hatte den Anstaltsleiter mit einem 100-Mark-Schein davon überzeugt, dass Barbara einen Spaziergang durch den angrenzenden Park machen und den Sonnenuntergang sehen wollte, und ich blieb im »Nervensanatorium« als eine Art Garantie für ihre Rückkehr.
    Kurz bevor an diesem kalten Dezembersonntag die Nacht hereinbrach, war Barbara aus dem Krankenhaus entführt und ich musste bei den »Insassen« bleiben. Es dauerte fast drei Stunden, bis der leitende Psychiater begriff, dass Barbara möglicherweise nicht zurückkehren würde. Um Zeit zu gewinnen, erzählte ich ihm, wahrscheinlich seien mein Vater und Barbara zum Abendessen in ein nettes Restaurant gegangen, um sich eine Pause von dem drogenverseuchten Futter in seinem Schuppen zu gönnen.
    Unterdessen nutzte ich meine Mußestunden, um mich mit meinen neuen Freunden bekannt zu machen. Mindestens jede dritte Person war auf jeden Fall geistig gesünder als ich. Sie waren auf Veranlassung ihrer Kinder, Eltern oder Ehepartner eingewiesen worden und zumeist aus Gründen, die mit Erbangelegenheiten, Unterhalt, Pflegekosten etc. zu tun hatten. Ausnahmsweise war ich ehrlich erschüttert. Angesichts der Unmengen an Medikamenten, die diese Leute mit dem Abendessen verabreicht bekamen, machte ich mir ein wenig Sorgen, dass dies die deutsche Version von Roach Motel – einer Klebefalle für Kakerlaken – sein könnte. Man kommt immer rein, aber nie mehr raus.
    Um acht Uhr geleitete mich der Leiter dieses Lagers in eine schallgedämpfte, gepolsterte Zelle, um mir mitzuteilen, dass Barbara ihre Entlassungspapiere nicht unterschrieben habe und somit nicht nur für sich selbst, sondern auch für die ethischen Standards, die Legitimität der Verfahren und den Ruf der Institution eine ernsthafte Gefahr darstelle. Bis sie zurückkehre, um die Papiere zu unterschreiben, würde man mich daher als Geisel behalten. Ich war schockiert und tief erschrocken. Diese Typen wollten mich gegen Barbara eintauschen wie irgendwelche Gefangene der FARC, die verzweifelt auf einen Gefangenenaustausch an der panamaisch-kolumbianischen Grenze hoffen. »Wann fangen sie wohl damit an, mich mit diesen Pillen zwangszufüttern?«, dachte ich.
    Nachdem sich der Leiter in sein Büro zurückgezogen hatte, wahrscheinlich um irgendwem Morphin in die Hauptschlagader zu spritzen oder irgendwelche Alzheimerpatienten zu quälen, unternahm ich meine erste Ardennenoffensive. Ich trommelte rund 15 meiner neuesten Freunde zusammen – zumindest diejenigen, deren Hirn noch nicht völlig von Drogen vernebelt war – und erklärte ihnen, was geschehen war. Ich war überrascht, wie mitfühlend und wütend diese vermeintlichen Irren waren, vor allem diejenigen, die auf Basis irgendwelcher betrügerischer Gerichtsprozesse eingewiesen worden waren,

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