Kopf in der Schlinge
ob ich das täte«, sagte sie und lachte zur Abwechslung einmal.
»Tja, also wenn ich die Lösung gefunden habe, sage ich Ihnen Bescheid«, erklärte ich. »Noch weitere Bemerkungen oder Ratschläge, solange wir beim Thema sind?«
Sie überlegte kurz. »Also, eines noch... obwohl Sie daran sicher schon gedacht haben. Es muß allgemein bekannt gewesen sein, daß Tom an dem Fall gearbeitet hat, also hat sich der Kerl wohl in Sicherheit gewähnt, nachdem Tom tot umgefallen war.«
»Und dann tauchte ich auf. Pech gehabt«, sagte ich. »Natürlich kann der Typ nicht genau wissen, wie viele Informationen Tom an seine Vorgesetzten weitergegeben hat.«
»Genau. Wenn es nicht in seinen Berichten steht, könnte es noch irgendwo in Umlauf sein, vor allem, da seine Notizen verschwunden sind. Hoffen Sie mal, daß Sie sie finden, bevor ein anderer darauf stößt.«
»Vielleicht hat sie bereits der Täter.«
»Warum hat er dann Angst vor Ihnen? Sie sind doch nur gefährlich, wenn Sie die Notizen haben«, meinte sie.
Ich dachte über die Durchsuchung von Toms Arbeitszimmer nach. »Da haben Sie recht.«
»Ich wäre vorsichtig.«
»Keine Sorge«, sagte ich. »Noch eine Frage, solange ich Sie in der Leitung habe: Waren Sie je selbst in Nota Lake?«
»Soll das ein Witz sein? Tom war viel zu nervös, um sich dort mit mir zu treffen.«
Beunruhigt legte ich den Hörer auf. Mein Angstpegel schwoll bedrohlich an — wie eine Toilette, die kurz vorm Überlaufen steht. Die Angst war wie etwas Feuchtes und Schweres, das in meine Knochen sank. Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Autoritätsfiguren, insbesondere uniformierten Polizisten, das vermutlich auf jene erste Begegnung zurückgeht, als ich mit fünf Jahren im Wrack des Autos meiner Eltern eingeklemmt war. Ich kann mich noch gut an das Grauen und die Erleichterung erinnern, als ich von diesen massigen Männern mit ihren Pistolen und Schlagstöcken gerettet wurde. Trotzdem sind auch Gefahr und Schmerz mit diesem Bild verbunden. Mit meinen fünf Jahren konnte ich beides nicht voneinander trennen. In puncto Verwirrung und Verlust war meine Erfahrung untrennbar mit dem Anblick von Männern in Uniform verbunden. Als Kind hatte man mir beigebracht, daß Polizisten meine Freunde seien, Leute, an die man sich wandte, wenn man sich verlaufen hatte oder einem bange war. Zugleich wußte ich, daß Polizisten die Macht besaßen, einen ins Gefängnis zu stecken, was sie zu einem beängstigenden Anblick machte, wenn man manchmal so »böse« war wie ich. Rückblickend ist mir klar, daß ich zum Teil deshalb auf die Polizeischule gegangen bin, um mich mit ebenjenen Leuten zu verbünden, vor denen ich Angst hatte. Auf der Seite des Gesetzes zu stehen war zweifellos mein Versuch, mit dieser alten Furcht fertigzuwerden. Die meisten Polizisten, die ich seither kennengelernt hatte, waren anständige, gewissenhafte Menschen, was den Gedanken um so verstörender machte, daß womöglich einer von ihnen auf die andere Seite übergewechselt war. Ich wußte nicht, wann mir je etwas solche Angst eingejagt hatte wie die Vorstellung, gegen diesen Kerl anzutreten, aber was hatte ich schon für eine Wahl? Wenn ich aus diesem Auftrag ausstieg, was dann? Würde ich, wenn ich das nächste Mal Angst bekam, den Auftrag dann ebenfalls sausenlassen?
Ich stieg die Wendeltreppe hinauf und begann pflichtbewußt, meine Reisetasche zu packen.
18
Über dem Meer hing weißer Nebel, und hundert Meter von der Küste entfernt sah der Horizont aus wie Milch. Die Sonne hinter den Wolken erzeugte ein hartes, fast blendendes Licht. Die Farben wirkten vom Dunst verblaßt, was der Luft eine kühle Note verlieh. Ein kurzer Blick in den Wetterbericht hatte mir vor meiner Abreise heftige Niederschläge in jenem Teil Kaliforniens prophezeit, zu dem ich unterwegs war, und ich konnte den Übergang schon auf den ersten fünfunddreißig Kilometern spüren.
Ich nahm den Highway 126 durch Santa Paula und Fillmore, bis ich auf den Highway 5 traf, wo ich scharf auf den Highway 14 abbog. Ich durchquerte Canon-Land: kärglich bewachsene braune Hügel mit vereinzelten Sträuchern, so faltig und haarig wie Elefanten. Überlandleitungen zogen sich über die Erdfalten, während der Highway sechs Spuren Beton über die Risse und Spalten spann. Überall waren Wohnsiedlungen entstanden, und die Hügelketten waren mit vereinzelt stehenden Häusern übersät, so daß die natürlichen Felsformationen merkwürdig fehl am Platz wirkten. Einiges wies
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