Kopf in der Schlinge
darauf hin, daß immer noch gebaut wurde — Erdbewegungsmaschinen, Betonmischer und mit Maschendraht eingezäunte behelfsmäßige Werkzeughöfe, wo für die Dauer der Bauarbeiten die schweren Maschinen aufbewahrt wurden. Hin und wieder belebte ein mobiles Klohäuschen den breiten Streifen zwischen den Fahrspuren. Das Land hatte die Farbe von trockenem Lehm und verdorrtem Gras. Bäume waren nur spärlich vorhanden, und die wenigen, die es gab, stachen hier draußen nicht besonders hervor.
Als ich an der Edwards-Air-Force-Basis vorüberfuhr, auf geradem Weg in Richtung Norden, war der Himmel grau. Die Wolken sammelten sich in absteigenden Schichten, die die nachlassende Sonne über ihnen verdeckten. Der beginnende Nieselregen sah eher aus wie feiner Dampf, der in der Luft steht. Neblig wirkende Ortschaften tauchten in der Ferne auf, flach und klein, in Rastern angelegt wie Außenposten auf dem Mond. Näher an der Straße standen hin und wieder Nebengebäude, die aus Gott weiß welchem Jahrzehnt stammten. Obwohl die Wüste unerbittlich ist, toleriert sie doch von Menschenhand gefertigte Bauwerke — windschief, mit zerbrochenen Fenstern und eingefallenen Dächern — , die noch lange bestehenbleiben, nachdem ihre Bewohner gestorben oder weggezogen sind. Ich blickte über die gesamte Fläche der regengepeitschten Ebene hinweg bis zur Kette der verschwommenen, gelbbraunen Berge. Die Telefonmasten, die sich vor mir bis zum Horizont erstreckten, hätten für eine Unterrichtsstunde über Perspektive dienen können. Hinter den kahlen, kantigen Hügeln ragten zerklüftete Granitfelsen auf, die immer dunkler wurden, je mehr der Regen zunahm. Langsam erklomm die Straße das Vorgebirge. Die Berge dahinter waren beeindruckend. Nichts beeinträchtigte die konturlose, bleiche Fläche — weder Bäume noch Gras, noch Anzeichen menschlicher Eingriffe. In den höheren Lagen konnte ich dort, wo tiefhängende Wolken genug Feuchtigkeit für pflanzliches Wachstum lieferten, Vegetation erkennen.
Ich hatte meine halbautomatische Pistole eingepackt. Waffenexperten wie zum Beispiel Dietz spotteten gern über die kleine Davis, aber es war eine Schußwaffe, die ich kannte, und sie war mir wesentlich vertrauter als die Heckler & Koch, eine neuere Anschaffung. Angesichts des Zustands meiner lädierten Finger bezweifelte ich zwar, ob ich überhaupt zum Abdrücken in der Lage wäre, doch in meinem momentanen verängstigten Zustand war mir die Pistole ein Trost.
Allmählich legte sich meine anfängliche Wut auf Selma wieder. Wenn ein Prozeß erst einmal in Gang gekommen ist, hat es bekanntlich keinen Sinn, mit seinem Schicksal zu hadern. Ich bedauerte, daß ich keine Zeit mehr gehabt hatte, um mich mit Leland Peck, dem Angestellten des Gramercy Hotels, in Verbindung zu setzen. Ich hatte mich auf das Wort seines Kollegen verlassen, daß er nichts auszusagen habe. Jeder gute Detektiv weiß es besser. Ich hätte mir die Mühe machen sollen, ihn aufzusuchen, um ihn nach seinen Erinnerungen an den Zivilfahnder mit dem Haftbefehl für Toth zu befragen.
Ohne im geringsten zu ahnen, was auf mich zukommen sollte, dachte ich in der Zwischenzeit beiläufig an die bevorstehende Nacht. Es ist mir aus ganzem Herzen zuwider, bei jemand anders zu übernachten. Das Bett ist nur selten bequem. Meist gibt es zuwenig Decken. Die Kissen sind flach oder bestehen aus Hartgummi, der nach halb aufgepumpten Basketbällen riecht. Die Toilette läßt sich nicht ganz spülen, der Drücker klemmt oder das Papier geht aus, so daß man gezwungen ist, sämtliche Schränkchen nach dem so findig versteckten Vorrat zu durchsuchen. Das Schlimmste ist, daß man rund um die Uhr »nett« sein muß. Ich will beim Frühstück niemanden gegenüber sitzen haben. Ich will weder die Zeitung teilen müssen, noch will ich am Ende des Tages mit jemandem reden. Wenn ich an solchen Dingen interessiert wäre, wäre ich schon längst wieder verheiratet und hätte Ruhe und Frieden ein für allemal ein Ende bereitet.
Als ich um Viertel vor sieben in Nota Lake eintraf, hatte sich die Nacht über die Landschaft gelegt, und das Wetter war richtig ekelhaft. Der Nieselregen hatte sich zu schneidendem Graupel verstärkt. Meine Scheibenwischer rackerten sich ab und häuften Matsch in einem Bogen an, der fast die gesamte Windschutzscheibe füllte. Ich vermutete, daß die Einwohner Nota Lakes, wie andere Menschen in kalten Klimazonen auch, ihre Mittel hatten, um mit dem wechselhaften Wesen des Schnees
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