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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Verses. Ist Ihr Gatte... unrasiert? ... Sprießt sein Bart ganz ungeniert? ... Sieht er gar aus wie ein Bär? ... dann muß Burma-Shave jetzt her. Oder so ähnlich.
    Innen im Laden roch es nach abgelegten Schuhen. Ich bahnte mir den Weg durch Gänge, die eng mit Kleidungsstücken vollgehängt waren. Vor mir erstreckten sich unzählige Ständer voller Einzelteile, die alle entweder im Hinblick auf Zweckmäßigkeit oder einem festlichen Anlaß gekauft worden sein mußten: Abschlußballkleider, Cocktailkleider, Kostüme, Acrylpullover, Blusen und Hawaiihemden. Die Wollsachen wirkten schlaff und die Baumwollstoffe matt, ihre Farben von zu vielen Runden in der Waschmaschine ausgelaugt. Weiter hinten beugte sich eine Stange unter der Last von Winterjacken und Mänteln.
    Ich schlüpfte in eine schwere braune Bomberjacke aus Leder. Vom Gewicht her fühlte sie sich an wie eine dieser Bleischürzen, die einem die MTA über den Körper legt, während sie einem aus der Sicherheit eines anderen Raumes heraus die Zähne röntgt. Das Futter der Jacke bestand aus noch kaum verfilztem Vlies, und die Taschen hatten diagonal verlaufende Reißverschlüsse, von denen einer kaputt war. Ich musterte die Krageninnenseite. Die Größe war M, also weit genug für einen dicken Pullover, falls nötig. Das Preisschild war an das braune Strickbündchen an einem der Ärmel gesteckt: vierzig Dollar. Ein echtes Schnäppchen. Ist Ihr Gatte wüst und roh? Kratzt sich den behaarten Po? Wollen Sie ihn baden schicken... Burma-Shave wird ihn erquicken. Ich hängte mir die Jacke über den Arm, während ich an den anderen Ständern entlangschlenderte. Ich fand ein blaues Flanellhemd und ein Paar Wanderstiefel. Auf dem Weg hinaus blieb ich stehen und löste den Draht, der die Burma-Shave-Schilder zusammenhielt, und las eines nach dem anderen.

    Ist Ihr Gatte voller Groll?
    Schimpft Ihnen die Ohren voll?
    Seine Stimmung wird sich heben,
    wenn Sie Burma-Shave ihm geben.

    Ich lächelte vor mich hin. Ich hatte sogar Talent für solches Zeug. Mit meinen Einkäufen in der Hand ging ich wieder auf die Straße hinaus. Ein Hurra auf die gute alte Zeit. Neuerdings geht den Amerikanern ein wenig der Humor aus.
    Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich ein Geschäft für Bürobedarf. Ich ging hinüber, besorgte mir Schreibpapier und ein paar Päckchen Karteikarten. Zwei Häuser weiter sah ich eine Filiale von Selmas Bank, wo ich mich vergewisserte, daß ihr Scheck gedeckt war, und mir ein Bündel Zwanzigdollarscheine besorgte, das ich in meine Umhängetasche steckte. Danach holte ich mein Auto, fuhr los und kreiste um den Block, bis ich in der richtigen Richtung unterwegs war. Der Ort kam mir bereits vertraut vor; er war ordentlich angelegt und sauber. Die Hauptstraße war vierspurig. Die Häuser rechts und links waren meist ein- oder zweistöckig und in uneinheitlichem Stil gebaut. Die Atmosphäre erinnerte entfernt an eine Westernstadt. An jeder Kreuzung fiel mein Blick auf einen Bergkamm, und die schneebedeckten Gipfel bildeten eine Art Vorhang, der den ganzen Ort entlang verlief. Es herrschte nicht viel Verkehr, und mir fiel auf, daß überwiegend Nutzfahrzeuge unterwegs waren: Pickups und Kombis mit Skiständern auf dem Dach.
    Als ich wieder bei Selma anlangte, stand das Garagentor offen. Der Parkplatz links war leer. Rechts sah ich einen blauen Pickup neuester Bauart stehen. Als ich aus meinem Wagen stieg, kam zwei Häuser weiter ein uniformierter Hilfssheriff zur Tür heraus. Er überquerte die beiden Rasenflächen zwischen uns und kam auf mich zu. Ich wartete, da ich annahm, daß es sich um Toms jüngeren Bruder Macon handelte. Auf den ersten Blick konnte ich nicht sagen, wieviel jünger er war. Ich schätzte ihn auf Ende Vierzig, aber vielleicht trog sein Äußeres auch. Er hatte dunkles Haar, dunkle Augenbrauen und ein angenehmes, unauffälliges Gesicht. Er war ungefähr einsachtzig groß und von kompakter Statur. Er trug eine schwere Jacke, die an der Taille endete, um schnellen Zugriff zu dem Pistolenhalfter an seiner linken Hüfte zu gewähren. Der breite Gürtel und die Waffe verliehen ihm ein schweres, bulliges Aussehen, das ohne seine Kluft vermutlich nicht entstanden wäre.
    »Sind Sie Macon?« fragte ich.
    Er reichte mir die Hand. »Genau. Ich habe Sie herfahren sehen und dachte mir, ich komme mal rüber und stelle mich vor. Meine Frau Phyllis haben Sie ja schon kennengelernt.«
    »Das mit Ihrem Bruder tut mir leid.«
    »Danke. Es war ganz schön

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