Kopf in der Schlinge
hart, das kann ich Ihnen sagen«, erklärte er. Er deutete mit dem Daumen aufs Haus. »Selma ist nicht da. Ich glaube, sie ist vor kurzem zum Markt gegangen. Wollen Sie rein? Die Tür steht meistens offen, aber Sie können auch gern zu uns kommen. Das ist allemal besser, als hier draußen in der Kälte zu stehen.«
»Danke, aber das macht mir nichts aus. Selma kommt bestimmt gleich, und wenn nicht, bringe ich die Zeit auch so herum. Ich würde gern morgen oder übermorgen mal mit Ihnen sprechen.«
»Na klar. Kein Problem. Ich erzähle Ihnen alles, was Sie wissen wollen, obwohl ich gestehen muß, daß wir uns keinen Reim auf Selmas Vorhaben machen können. Worüber zerbricht sie sich eigentlich den Kopf? Phyllis und ich begreifen einfach nicht, was sie ausgerechnet mit einer Privatdetektivin will. Bei allem Respekt, aber das ist doch lächerlich.«
»Vielleicht sollten Sie das mit ihr besprechen«, sagte ich.
»Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, was Sie über Tom herausfinden werden. Er war ein so grundanständiger Kerl, wie man selten einen findet. Die ganze Stadt hat zu ihm aufgesehen, mich eingeschlossen.«
»Dann werde ich mich ja vielleicht nur kurz hier aufhalten.«
»Wo hat Selma Sie untergebracht? Ich hoffe, in einem angenehmen Haus.«
»Nota Lake Cabins. Cecilia Boden ist Ihre Schwester, oder? Haben Sie noch mehr Geschwister?«
Macon schüttelte den Kopf. »Wir waren nur drei«, sagte er. »Ich bin der Jüngste. Tom ist drei Jahre älter als Cecilia und fast fünfzehn Jahre älter als ich. Seit ich denken kann, bin ich hinter den beiden hergerannt. Ich habe erst Jahre nach Tom angefangen, im Sheriffbüro zu arbeiten. In der Schule war’s genauso. Immer bin ich in die Fußstapfen von jemand anderem getreten.« Sein Blick schweifte zur Straße ab, als Selmas Auto auftauchte, langsamer wurde und in die Einfahrt bog. »Da kommt sie, also will ich Sie mal nicht länger aufhalten. Lassen Sie mich wissen, womit ich Ihnen helfen kann. Sie können uns anrufen oder einfach vorbeikommen. Es ist das grüne Haus mit den weißen Zierleisten.«
Inzwischen war Selma in die Garage gefahren und ausgestiegen. Sie und Macon begrüßten einander mit einer kaum wahrnehmbaren Unterkühltheit. Während sie den Kofferraum ihrer Limousine öffnete, verabschiedeten Macon und ich uns und tauschten die typischen Floskeln aus, die das Ende einer Unterhaltung signalisieren. Selma lud eine braune Papiertüte mit Lebensmitteln und zwei Reinigungspaketen aus und schlug den Kofferraum zu. Unter ihrem Pelzmantel trug sie akkurat gebügelte, anthrazitfarbene Hosen und eine langärmlige Bluse aus kirschfarbener Seide.
Während Macon zu seinem Haus zurückging, betrat ich die Garage. »Darf ich Ihnen damit helfen?« fragte ich und griff nach der Tüte mit den Lebensmitteln, die sie mir daraufhin überließ.
»Ich hoffe, Sie stehen noch nicht lange hier«, sagte sie. »Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ich genug Zeit damit zugebracht habe, mir selbst leid zu tun. Das beste ist, sich zu beschäftigen.«
»Wem gehört der Pickup? War das Toms Wagen?« wollte ich wissen.
Selma nickte und schloß die Tür auf, die von der Garage ins Haus führte. »Ich habe jemanden von der Werkstatt am Tag nach seinem Tod gebeten, ihn hierherzuschleppen. Der Officer, der ihn gefunden hat, hat die Schlüssel abgezogen und den Wagen stehenlassen, wo er war. Ich kann mich nicht dazu überwinden, ihn zu fahren. Wahrscheinlich verkaufe ich ihn irgendwann oder überlasse ihn Brant.« Sie drückte einen Knopf, und das Garagentor fuhr rumpelnd herab.
»Sie haben also Macon kennengelernt.«
»Er ist herübergekommen, um sich vorzustellen«, antwortete ich und folgte ihr ins Haus. »Eines sollte ich noch erwähnen. Ich habe vor, mich mit ziemlich vielen Leuten hier am Ort zu unterhalten, und ich weiß noch nicht, welchen Weg ich einschlagen will. Wenn man Sie auf irgend etwas anspricht, bestätigen Sie es einfach.«
Sie legte ihre Schlüssel wieder in die Handtasche und betrat mit mir im Schlepptau die Waschküche. Dann schloß sie hinter uns die Tür. »Warum wollen Sie nicht die Wahrheit sagen?«
»Das tue ich ja, soweit möglich, aber ich gehe davon aus, daß Tom ein sehr geachtetes Mitglied der Gemeinde war. Wenn ich anfange, mich nach seinen Privatangelegenheiten zu erkundigen, erzählt mir kein Mensch etwas. Deshalb versuche ich es vielleicht mit einem anderen Ansatz. Nicht allzu abwegig, aber eventuell verdrehe ich die Tatsachen ein
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