Kopf in der Schlinge
an der Unterhaltung, zeigte aber deutlich, daß ihm der Gedanke mißfiel, über Tom mit irgend jemandem zu diskutieren.
Hatch wirkte zumindest freundlich, also konzentrierte ich mich auf ihn. »Sie haben Tom also gekannt.«
»Jeder kannte Tom«, antwortete er.
»Können Sie mir ein wenig über ihn erzählen?«
Hatch musterte mich unwillig und schüttelte den Kopf. »Sie werden mich nicht dazu bringen, daß ich irgend etwas Schlechtes über diesen Mann sage.«
»Das will ich doch gar nicht. Ich möchte nur ein Gefühl dafür bekommen, wer er war. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt, daher tappe ich hier im dunklen. Wie lange kannten Sie ihn?«
»Etwas über fünfzehn Jahre, schon lange bevor ich im Sheriffbüro angefangen habe. Ich bin von Barstow hier rauf gezogen, und gleich am Anfang ist jemand in meine Wohnung eingebrochen und hat meine Stereoanlage gestohlen. Nachdem ich die Polizei angerufen hatte, ist Tom erschienen.«
»Wie war er?«
»In welcher Hinsicht?«
»Egal. War er klug? War er witzig? War er ein lockerer Typ?«
Hatch legte den Kopf schief, bis die eine Schulter fast an sein Ohr reichte. »Ich würde sagen, Tom war ein guter Polizist; das war mit Abstand das wichtigste an ihm. Man konnte den Menschen nicht von seiner Arbeit trennen. Natürlich war er klug, und er hielt sich an die Vorschriften.«
»Also jemand, der die Regeln nicht verletzte«, sagte ich, indem ich die Bemerkung des Leichenbeschauers wiederholte.
»Ja, genau. Wissen Sie, bei Lappalien hat er vielleicht schon einmal ein Auge zugedrückt, aber bei gravierenden Straftaten achtete er strikt auf Recht und Ordnung. Dieses ganze Opfergerede, das man heutzutage hört, stieß bei ihm auf taube Ohren. Da hat er eine ganz harte Linie vertreten, und ich finde, er hatte recht. Wenn in einer kleinen Stadt wie dieser jemand das Gesetz bricht, kann es gut sein, daß man mal mit seiner Schwester gegangen ist oder daß er früher mal ein paar Häuser neben einem gewohnt hat. Bei Tom ging es um nichts Persönliches. Er war nicht bösartig oder so. Beruf war eben Beruf, und man mußte ihn für seine Einstellung respektieren.«
»Können Sie mir ein Beispiel nennen?«
»Nicht auf Anhieb. Und du, Wayne? Du weißt schon, was ich meine. Was war denn typisch für Tom?«
Wayne schüttelte den Kopf. »He, Hatch. Das ist dein Bier. Nicht meins.«
Hatch kratzte sich am Kinn und zog an der Haut darunter. »Tja, also an folgende Geschichte kann ich mich erinnern, und ich würde auch sagen, daß sie ziemlich typisch ist. Da war dieser nette alte Knabe namens Sonny Gelson. Weißt du noch, Schatz? Das war schätzungsweise so vor fünf, sechs Jahren. Er hat drüben in Winona in einem großen, alten Haus gewohnt, das schon reif für den Abbruch war.« Er wartete nicht auf eine Antwort, aber ich sah, wie Margaret nickte, während ihr Mann fortfuhr. »Eines Abends hat ihn seine Frau aus Versehen erschossen. Sie hielt ihn für einen Einbrecher und hat ihm ein großes Loch in die Brust geballert. Etwa sechs Monate zuvor hatte sie von einem verdächtigen Streuner berichtet, und Sonny hat ihr eine Smith & Wesson gekauft. Eines Abends war er weggefahren, und sie war allein zu Hause. Sie hört jemanden unten im Flur, reißt die Waffe aus der Schublade und feuert auf den Kerl, sowie er zur Tür hereinkommt. Das Problem war nur, daß die Knarre versagt hat und in ihrer Hand losging. Sonny hatte sie selbst neu geladen, aber ich fürchte, er hatte es nicht richtig gemacht, oder zumindest sah es danach aus. Die Kugel kam trotzdem aus dem Lauf und traf ihn mitten in die Brust. Ich glaube, er starb, noch bevor Judy den Notruf wählen konnte. Außerdem hatte Judy selbst eine schwerverletzte Hand und blutete heftig. So, aber jetzt kommt der Clou. Tom hatte die fixe Idee, daß es sich um geplanten Mord handelte. Er war fest davon überzeugt, daß das Ganze arrangiert war. Also, auf der einen Seite haben wir nun Judy Gelson, die sich wegen ihres schrecklichen Irrtums die Augen ausweint. Sie schwört, daß sie keine Ahnung hatte, daß es ihr Mann war. Die ganze Stadt ist in hellem Aufruhr. Alle protestieren. Der Staatsanwalt wollte auf Unfall mit Todesfolge plädieren lassen und den Fall damit abschließen. Ich bezweifle, ob sie überhaupt ins Gefängnis gemußt hätte, da sie nicht vorbestraft war. Hätte dem Bezirk eine Menge Geld und eine Menge schlechte Presse erspart. Aber Tom hat unermüdlich weiter nachgeforscht und ziemlich schnell eine dicke
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