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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Haar hatte. Ich ging auf die Toilette. Ich übte ein kleines Balancierkunststück mit einer Gabel und einem abgebrannten Streichholz. Irgendwann wurde mir klar, daß ich, selbst wenn sich hier im Lokal Polizisten aufhielten, die dienstfrei hatten, diese in ihrer Zivilkleidung nicht einmal erkennen würde.
    Um zehn kam Macon Newquist herein. Er war in Uniform und bewegte sich in gemächlichem Schritt durch den Raum, während er das Lokal nach Betrunkenen, Minderjährigen und anderen Formen sich anbahnenden Ärgers absuchte. Im Vorübergehen warf er mir eine Begrüßung zu, schien aber keine Lust auf Konversation zu haben. Kurz nachdem er gegangen war, zahlte sich mein Herumlungern aus, als ich die Angestellte aus dem Sheriffbüro entdeckte. Allerdings fiel mir beim besten Willen ihr Name nicht mehr ein. Sie kam in einer Vierergruppe mit einem Mann, den ich für ihren Ehemann hielt, und einem anderen Paar, alle ungefähr im gleichen Alter. Die vier waren in einer Mischung aus Cowboy- und Skifahrerkluft gekleidet: Stiefel, Jeans, Hemden im Westernschnitt, Daunenanoraks, Skihandschuhe und Strickmützen. Sie setzten sich an einen freien Tisch auf der anderen Seite des Raums. Ich starrte die Schreibkraft mit ihren dunklen, bis oberhalb der Ohren gestutzten Haaren an. Ihre dunkelbraunen Augen glitzerten hinter der kleinen, ovalen Brille. Die andere Frau hatte kastanienbraunes Haar, war vollbusig und hübsch und wurde vermutlich des öfteren mit unerwünschten Tips zu Brustverkleinerungsoperationen belästigt. Der Mann der Angestellten beratschlagte sich mit den anderen und ging dann in meine Richtung. Am anderen Ende der Bar blieb er stehen und bestellte einen großen Krug Bier mit vier überdimensionalen Humpen. In der Zwischenzeit zogen die Frauen die Jacken aus, packten ihre Handtaschen, verließen den Tisch und marschierten zur Damentoilette. Ich bestellte mir noch ein Bier, um meinen Platz zu halten, und eilte dann selbst zu den Sanitäranlagen. Mein Weg kreuzte den ihren, und so kamen wir alle drei ungefähr im gleichen Moment an der Tür an. Ich verlangsamte meinen Schritt und ließ den beiden den Vortritt.
    Die Angestellte sagte: »Stell dir nur vor: Billie hat etwas mit diesem miesen Typen aus dem Videoladen angefangen. Du weißt schon, der mit der komischen Art. Es ist mir ein Rätsel, was sie an ihm findet, es sei denn, du-weißt-schon-was. Ich habe ihr gesagt, sie soll ein bißchen mehr auf sich achten...«
    Die beiden plauderten weiter, während sie durch die Tür gingen und in den ersten zwei von insgesamt drei Toilettenkabinen verschwanden. Ich betrat die dritte und lauschte mir das Herz aus dem Leib, während wir alle drei fröhlich im Chor pinkelten. Verdammt noch mal, wie hieß die Frau? Sie und ihre Freundin diskutierten über Billies Sohn Seb, der an dermaßen hartnäckigen Warzen im Genitalbereich litt, daß sein Penis laut einem Mädchen namens Candy, das ihn postwendend sitzenließ, wie eine pinkfarbene, fleischige Gewürzgurke aussah. In schneller Folge wurden drei Toiletten gespült, und wir versammelten uns um die Waschbecken, um uns die Hände zu waschen. Die andere Frau verzichtete allerdings auf ihre persönliche Hygiene und machte sich gleich an das Ritual, sich die Haare zu kämmen und ihr Make-up aufzufrischen. Ich war versucht, auf das Schild an der Wand zu zeigen, das uns dazu aufrief, der Verbreitung von Krankheiten entgegenzuwirken, als mir klarwurde, daß die Warnung für Mitarbeiter des Lokals gedacht war. Offenbar war es uns anderen freigestellt, jeden anzustecken, mit dem wir in Berührung kamen. Ich versuchte mit gutem Beispiel voranzugehen und seifte mir die Hände ein wie ein Chirurg vor einer Operation, doch die Frau fühlte sich nicht dazu veranlaßt, es mir nachzutun.
    Wundersamerweise spuckte mein Gehirn in diesem Moment mit einem befriedigenden geistigen Rülpser den Namen der Angestellten aus. Ich fing ihren Blick im Spiegel auf und lächelte ihr zu, während sie ein Papierhandtuch zum Abtrocknen herauszog. »Sind Sie nicht Margaret?«
    Sie sah mich ausdruckslos an und sagte dann ohne jegliche Wärme: »Oh, hallo.« Ich konnte nicht einschätzen, ob sie mich vergessen hatte oder sich zwar erinnerte, aber einfach keine Lust auf ein Gespräch mit mir hatte. Vermutlich letzteres. Sie knüllte das Papierhandtuch zusammen und stopfte es in den Abfalleimer.
    »Kinsey Millhone«, sagte ich, als hätte sie mich gerade danach gefragt. »Wir sind uns heute morgen in Ihrem Büro

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