Kopf in der Schlinge
hoffte, ich würde in ein tiefes Loch fallen.
»Ich bezweifle, daß meine Aussichten besonders gut sind, aber ich nehme es Selma nicht übel, daß sie es versucht. Sie möchte etwas wiedergutmachen. Was ist dagegen einzuwenden? An ihrer Stelle würden Sie doch das gleiche tun, oder?«
»Na ja«, sagte Margaret. Ich merkte, daß es ihr schwerfiel, ein Gegenargument zu finden. Herablassende Bemerkungen zu machen war ihr ein leichtes; weniger geschickt war sie im Verteidigen ihres Standpunkts. Von der Anstrengung, die Wahrheit zu sagen, brach mir schon der Schweiß aus. Lügen sind immer einfacher, weil das einzige Risiko darin besteht, erwischt zu werden. Hat man sich aber erst einmal der Wahrheit unterworfen, ist man geliefert, denn wenn sie einem der andere nicht abkauft, hat man nichts anderes mehr zu bieten.
Earlene beobachtete uns wie eine Zuschauerin bei einem Tennismatch. Ihre hellblauen Augen wanderten interessiert zwischen meinem und Margarets Gesicht hin und her. Ich konnte nicht abschätzen, auf wessen Seite sie stand, beschloß aber trotzdem, sie mit einzubeziehen. »Was meinen Sie, Earlene? Was würden Sie an Selmas Stelle tun?«
»Vermutlich das gleiche. Ich verstehe, was Sie meinen.« Sie warf Margaret einen raschen Blick zu. »Du hast selbst gesagt, daß Tom in den letzten Wochen vor seinem Tod unausstehlich war.« Sie sah wieder zu mir und wies mit dem Daumen in Margarets Richtung. »Sie dachte, er macht eine Art Wechseljahre durch. Sie wissen schon, Stimmungsschwankungen und Jähzorn...«
»Earlene!«
»Na, stimmt doch.«
»Natürlich stimmt es, aber das heißt nicht, daß man es in der Damentoilette debattieren kann.« Und das von der Frau, die die Genitalwarzen anderer Leute durchhechelte.
»Haben Sie irgendeine Vermutung, was ihn belastet hat?« fragte ich.
Margaret war ungehalten. »Selbstverständlich nicht. Und ich muß Ihnen außerdem sagen, daß Selma besser beraten wäre, wenn sie keine schlafenden Hunde wecken würde. Wenn er gewollt hätte, daß sie davon erfährt, hätte er es ihr gesagt, also geht es sie im Grunde nichts an. Selbst wenn er mißmutig und ständig gereizt war, ist das ja wohl kein Verbrechen.«
»Aber wer könnte Bescheid wissen? Wen soll ich fragen außer Rafer?«
Earlene hob die Hand. »Könnte nicht schaden, Hatch zu fragen.«
»Würdest du dich bitte raushalten?« fauchte Margaret.
»Wer ist Hatch?« fragte ich Earlene.
»Hatch ist ihr Mann. Er sitzt da draußen«, erklärte sie und zeigte ins Lokal.
Margaret schnaubte. »Der hilft Ihnen nicht weiter, und ich wette, Wayne auch nicht. Wayne hat seit Jahren nicht mehr für Tom gearbeitet. Wie soll er da von irgendwas eine Ahnung haben?«
»Hatch hat für Tom gearbeitet?« fragte ich Margaret.
»M-hm. Er und Wayne sind beide Hilfssheriffs, nur daß Wayne für Whirly Township zuständig ist und Hatch tageweise hier arbeitet.«
»Es könnte jedenfalls nicht schaden«, sagte ich.
Margaret dachte darüber nach und runzelte die Stirn. »Ich werde Sie vermutlich nicht davon abhalten können, aber wenn Sie mich fragen, ist es Zeitverschwendung.«
Zu dritt verließen wir die Damentoilette.
»Ich hole nur schnell mein Bier«, sagte ich.
Eilig ging ich zur Bar hinüber, um meine Sachen einzusammeln. Ich stellte mir vor, daß Margaret solange ihren Mann aufklären und dadurch meinem Anliegen nutzen konnte. Ich packte Bierkrug und Jacke und ging an ihren Tisch hinüber, wo ich zusah, wie Hatch pflichtbewußt einen zusätzlichen Stuhl vom Nebentisch holte. Ich ließ eine weitere Vorstellungsrunde über mich ergehen und versuchte, einnehmend zu wirken, während ich beiden Männern die Hände schüttelte. »Einnehmend« ist keine Eigenschaft, die ich von selbst ausstrahle. »Hat Margaret Ihnen erzählt, was ich herausfinden möchte?«
»Ja, Ma’am«, sagte Hatch. Er war groß und schlaksig und hatte dichtes blondes Haar, das an den Seiten ganz kurz geschoren war. Sein Gesicht war knochig, nichts als Kiefer und Wangenknochen; dazu kam eine große Höckernase. Seine Ohren standen ab wie Griffe an einer Vase.
Earlenes Mann Wayne trank einen Schluck von seinem Bier und stellte den Krug geräuschvoll wieder ab. Er hatte dunkles, sich lichtendes Haar, das kurz geschnitten und nach vorn gekämmt war. Er besaß die Hübscher-Junge-Attraktivität eines Kleinkriminellen. Offenbar war ich ihm unsympathisch. Er wich meinem Blick aus und wandte seine Aufmerksamkeit anderen Stellen im Raum zu. Hin und wieder beteiligte er sich
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