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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Ich frühstückte im Rainbow Café und empfand in der Nüchternheit des Lokals ein gewisses Wohlbehagen. Ich sah der Schnellköchin zu, einer jungen Schwarzen, die ungemein tüchtig und konzentriert ans Werk ging.
    Danach fuhr ich wieder zu Selma.
    Ihre Schwägerin Phyllis war in der Küche. Die beiden arbeiteten am Küchentisch, der mit Papieren übersät war. Aktenordner lagen aufgeschlagen da, und auf großen Schreibblocks standen Namenslisten, an denen entfernbare Etiketten klebten. Ich vermutete, daß sie die Sitzordnung für irgendeine Veranstaltung des Country Clubs aufstellten und debattierten, wen sie neben wen plazieren sollten, um möglichst gute Unterhaltung und möglichst wenig Konfliktstoff zu garantieren.
    »Nee. Das würde ich lieber lassen«, sagte Phyllis. »Die Männer mögen sich, aber die Frauen sprechen nicht miteinander. Kannst du dich denn nicht an diesen Vorfall zwischen Ann Carol und Joanna erinnern?«
    »Die beiden sind doch wohl nicht deswegen immer noch eingeschnappt, oder?«
    »Aber sicher.«
    »Unglaublich!«
    »Tja, glaub’s mir. Wenn du sie zusammensetzt, beschwörst du einen Krieg herauf. Ich habe einmal mit angesehen, wie Joanna eines dieser harten Beilagenbrötchen nach Ann Carol geworfen hat. Sie hat sie mitten ins Auge getroffen, und Ann Carol bekam dicke Striemen.«
    Selma hielt inne, um sich eine Zigarette anzuzünden, während sie die Liste studierte. »Wie wär’s, wenn ich sie an Tisch dreizehn setzen würde?«
    Phyllis zog ein trübseliges Gesicht. »Na ja, zur Not. Ich meine, es ist langweilig, aber nicht schlecht. Zumindest wäre Ann Carol dann sicher vor einem Angriff mit fliegenden Hefebrötchen.«
    Selma sah zu mir auf. »Morgen, Kinsey. Was haben Sie heute vor? Sind Sie hier drinnen fertig?«
    »Fast«, antwortete ich. Ich sah zu Phyllis hinüber und fragte mich, ob wir das Thema in ihrer Gegenwart besprechen sollten.
    Selma bemerkte mein Zögern. »Keine Sorge. Schießen Sie los. Sie brauchen ihretwegen keine Bedenken zu haben. Sie weiß Bescheid.«
    »Ich tappe immer noch im dunkeln. Nicht, daß ich an Ihrer Geschichte zweifeln würde. Ich bin mir sicher, daß irgend etwas Tom Kopfzerbrechen bereitet hat. Man hat mir mehrfach erzählt, daß er nicht mehr der alte war. Ich kann nur keinen einzigen Hinweis darauf finden, was ihn beunruhigt hat. Offen gestanden bin ich immer noch genauso schlau wie am Anfang. Es ist frustrierend.«
    Ich sah, wie sich die Enttäuschung über Selmas Miene legte.
    »Es sind ja erst zwei Tage«, murmelte sie. Phyllis runzelte leicht die Stirn und strich einen Stapel Blätter glatt, der vor ihr auf dem. Tisch lag. Ich hoffte, sie hätte etwas beizusteuern, doch als sie nichts sagte, fuhr ich fort.
    »Tja, das stimmt«, gab ich zu. »Und es besteht immer die Hoffnung, daß sich ganz unerwartet etwas ergibt, aber bis jetzt habe ich nichts gefunden. Ich wollte es Sie nur wissen lassen. Ich kann Ihnen eine Zusammenfassung geben, wenn Sie einen Augenblick Zeit haben.«
    »Sie können ja auch nicht mehr als Ihr Bestes geben«, sagte Selma. »Der Kaffee ist noch heiß, wenn Sie welchen wollen. Ich habe Ihnen neben dem Milchkännchen dort drüben einen Becher hingestellt.«
    Ich ging zur Kaffeemaschine hinüber und schenkte mir eine Tasse ein. Bevor ich die Milch in meinen Kaffee goß, roch ich kurz daran. Ich überlegte, ob ich die Geschichte mit dem Lieferwagen erwähnen sollte, sah aber keinen Sinn darin. Die beiden hatten sich inzwischen wieder an ihre Arbeit gemacht, und ich wollte weder ihre Besorgnis noch ihre Spekulationen über mich ergehen lassen. Ich hätte zwar ein bißchen Mitgefühl einheimsen können, aber wozu?
    »Bis gleich«, sagte ich. Die beiden hoben nicht einmal die Köpfe. Ich zuckte mit den Achseln und ging in Toms Arbeitszimmer.
    In der Tür blieb ich stehen, schlürfte meinen Kaffee und starrte auf die Unordnung, die nach wie vor den Raum beherrschte. Ich hatte mich zwar auf ordentliche Weise durch das Chaos gearbeitet, aber das Ergebnis wirkte bruchstückhaft. Viele Aufgaben waren nur halb getan, und die, die ich vollständig erledigt hatte, hatten keinerlei greifbare Informationen erbracht. Ich war einfach davon ausgegangen, daß Tom Newquist irgendwo eine Spur hinterlassen haben mußte, wenn er nach etwas Speziellem forschte. Zahlreiche Papiere verschiedenster Art, die ich nicht einzuordnen wußte, lagen herum. Viele davon hatte ich in einer fürs bloße Auge nicht erkennbaren Anordnung auf dem Schreibtisch gestapelt.

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