Kopf in der Schlinge
Ich trug einen langärmligen Rollkragenpullover und Jeans und stand trotzdem kurz davor, einen Krampf im Kiefer zu bekommen, weil ich derart darum rang, nicht mit den Zähnen zu klappern.
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, als wischte sie die bittere Kälte beiseite. »Das bin ich gewöhnt. Macht mir nichts aus. Es dauert ja nur einen Moment. Ich hätte schon früher etwas sagen sollen, aber ich bin nicht dazu gekommen.«
Für Mitte März war ihr Teint erstaunlich braungebrannt. Da ihr sonstiger Körper bleich war, mußte ich vermuten, daß es vom Skifahren kam. Ihr Gesicht war in ansprechender Weise von Falten durchzogen, feine Linien lagen um die Augenwinkel und umrahmten ihren Mund. Ihre Nase war lang und gerade, die Zähne sehr weiß und ebenmäßig. Sie sah aus wie der ideale Mensch, den man sich zur Seite wünscht, wenn man niedergeschlagen ist; angenehm und tüchtig, ohne allzu ernst zu sein.
Draußen im Garten blies eine steife Brise durch das verdorrte Gras. Ich kniff den Mund zu, damit ich nicht aufjaulte wie ein Hund. Von der Kälte begannen mir die Augen zu tränen. Bald würde meine Nase zu laufen beginnen, und ich hatte kein Taschentuch bei mir. Ich zog einmal die Nase hoch, um den Moment, in dem ich meinen Hemdsärmel benutzen mußte, möglichst weit hinauszuzögern. Dann konzentrierte ich mich auf Phyllis, die bereits munter drauflosplapperte.
»Sie wissen ja, daß Macon wegen Tom im Sheriffbüro angefangen hat. Die beiden standen sich seit jeher nahe — trotz des Altersunterschieds — , und als Tom Selma geheiratet hat, haben wir ihm alles Gute gewünscht.«
»Gibt es denn keine anderen Jobs hier im Ort? Jeder, den ich bisher kennengelernt habe, arbeitet bei irgendeiner Polizeitruppe.«
Phyllis lächelte. »Wir kennen uns alle untereinander und gehen auch gemeinsam aus, wie bei einem Gesellschaftsclub.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte ich und bat sie im stillen, sich zu beeilen, da ich mir den Arsch abfror.
»Tom war ein wunderbarer Mann. Das werden Sie sicher herausfinden, wenn Sie anfangen, herumzufragen.«
»Das bestätigt jeder. Ja, die meisten Leute scheinen ihn sogar sympathischer zu finden als sie«, sagte ich.
»Oh, Selma hat ihre guten Seiten. Nicht jeder mag sie, aber sie ist in Ordnung. Ich würde zwar nicht sagen, daß wir Freundinnen sind... wir stehen uns nicht einmal besonders nahe, was vielleicht verwunderlich erscheinen mag, nachdem wir nur zwei Häuser voneinander entfernt wohnen. Aber man kann die Schwächen von jemandem erkennen und ihn trotzdem aufgrund seiner besseren Eigenschaften mögen.«
»Unbedingt«, bekräftigte ich. Es war zwar nicht gerade eine Huldigung, aber ich begriff, was sie meinte. Am liebsten hätte ich diese rollende Handbewegung gemacht, die >weiter, weiter< bedeutet.
»Selma hat sich schon monatelang bei mir über Tom beklagt. Ich nehme an, Ihnen wird sie dasselbe erzählt haben. Jedenfalls, im September — also vor etwa sechs Monaten — sind Tom und Macon zu einer Schußwaffenausstellung nach Los Angeles gefahren, und ich habe sie begleitet. Selma hat sich nicht besonders dafür interessiert — sie hatte irgendeine große Veranstaltung am gleichen Wochenende deshalb ist sie nicht mitgekommen. Jedenfalls habe ich Tom zufällig mit dieser Frau gesehen, und ich weiß noch, wie ich dachte: oha! Wissen Sie, was ich meine? Irgend etwas daran, wie sie die Köpfe zusammensteckten, kam mir nicht ganz koscher vor. Sagen wir es mal so: Diese Person war interessiert. Das erkannte ich an der Art, wie sie ihn ansah.«
Leiser Ärger wallte in mir auf. Ich konnte nicht fassen, daß sie mir das jetzt erzählte. »Phyllis, ich wünschte, Sie hätten mir das schon früher gesagt. Ich habe mich da drinnen durch den ganzen Schrott gewühlt, und nun entnehme ich Ihren Worten, daß Toms >Problem< überhaupt nichts mit Papieren zu tun hatte.«
»Tja, das ist auch schon alles. Ich weiß wirklich nicht mehr. Ich habe Macon nach der Frau gefragt, und er hat gesagt, sie sei Ermittlungsbeamtin in einem Sheriffbüro drüben an der Küste. In Perdido, glaube ich, aber da kann ich mich auch täuschen. Jedenfalls hat Macon gesagt, daß er sie mehrmals mit Tom gesehen habe. Er riet mir, den Mund zu halten, und das habe ich auch getan, aber mir war schrecklich unwohl dabei. Selma hat eine große Feier zum Hochzeitstag im Country Club geplant, und ich dachte die ganze Zeit, wenn Tom — na ja, Sie wissen schon — wenn er etwas mit einer anderen hätte, würde
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