Kopf in der Schlinge
genug«, sagte er. »Bis später dann.«
Selma verließ nach dem Mittagessen das Haus, und so kam ich nicht mehr dazu, das Thema anzusprechen, das mir inzwischen auf den Nägeln brannte — nämlich eine kurze Fahrt nach Santa Teresa, um mein Auto zu holen. Ich hatte den Leihwagen nun seit über drei Wochen, und die Kosten stiegen mit jedem Tag. Ich hatte nicht mit einem längeren Aufenthalt in Nota Lake gerechnet, daher war meine momentane Garderobe beschränkt. Ich sehnte mich danach, eine Nacht in meinem eigenen Bett zu schlafen. Dazu kam die Geschichte mit der Ermittlerin aus dem Sheriffbüro, der ich nachgehen könnte, wenn ich erst einmal zu Hause wäre. Alles andere, was hier von Interesse war, konnte warten, bis ich nach Nota Lake zurückkäme.
Unterdessen war es an der Zeit, mich mit der Polizei von Nota Lake zu unterhalten. Angesichts der neuen Spur konnte ich mir nicht mehr erklären, inwiefern der Vorfall vom gestrigen Abend mit meinen Ermittlungen zusammenhängen sollte, aber ich hielt es trotzdem für klüger, ihn zu Protokoll zu geben. Ich hinterließ eine Nachricht für Selma, schlüpfte in meine Lederjacke, nahm meine Umhängetasche und ging.
Das Polizeirevier von Nota Lake lag in einem unscheinbaren, einstöckigen Gebäude mit verputzter Fassade, einem granitverkleideten Eingang und zwei breiten Granitstufen. Die Fenster und die Glastür hatten Aluminiumrahmen. Ein Pfeil unter einem Strichmännchen im Rollstuhl wies auf einen behindertengerechten Eingang irgendwo zur Linken hin. Die Büsche vor dem Gebäude waren auf Fensterhöhe gestutzt, und von der Fahnenstange flatterte sowohl die amerikanische als auch die kalifornische Flagge im Wind. Auf dem Dach standen sechs Funkantennen wie eine Reihe aufgerichteter Angeln. Wie bei der Feuerwehr von Nota Lake, die nebenan untergebracht war, handelte es sich hier um anspruchslose Architektur, einen reinen Zweckbau. Kein einziger Steuerdollar war achtlos verschwendet worden.
Das Innere entsprach der nüchternen Fassade und erinnerte stark an das Sheriffbüro, das zwei Häuser weiter lag: eine abgesenkte Decke aus Leuchtstoffröhren und Schalldämmplatten, metallene Aktenschränke und Arbeitsflächen aus Laminat mit Holzdekor. Auf den Schreibtischen sah ich von hinten zwei Computermonitore mit den dazugehörigen Rechnern, aus denen unzählige Kabel wie Luftwurzeln wucherten.
Der diensthabende Beamte war M. Corbet, ein Mann Mitte Vierzig mit einem weichen, runden Gesicht, schütter werdendem Haar und einem leicht pfeifenden Atem. »Dass iss Asthma, nicht, daß Sie denken, es sei was Ansteckendes«, erklärte er. »Die kalte Luft setzt mir zu, und diese trockene Hitze macht es auch nicht besser. Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er setzte sich einen kleinen Inhalator an den Mund und atmete den Sprühnebel, der seine Bronchien öffnen sollte, tief ein. Kopfschüttelnd legte er das Gerät beiseite. »Dass iss vielleicht ‘ne verfluchte Sache! Bis vor ein paar Jahren hatte ich nie irgendwelche Probleme. Und auf einmal stellt sich raus, daß ich gegen Hausstaub, Tierhaare, Pollen und Schimmelpilze allergisch bin. Was soll man da machen? Gar nicht mehr atmen ist — soweit ich weiß — das einzige, was hilft.«
»Harte Methode«, sagte ich.
»Der Arzt meint, es kriegen immer mehr Leute Allergien. Er sagt, er hat eine Patientin, die auf klimatisierte Raumluft reagiert. Synthetische Stoffe, Chemikalien und Mikroben, die durch die Heizungsschlitze kommen. Die arme Frau muß überallhin einen Sauerstoffwagen mitschleppen. Sie verliert das Bewußtsein und fällt um, sowie sie mit irgendwelchen fremden Krankheitserregern in Berührung kommt. Gott sei Dank bin ich nicht so schlimm dran wie sie, obwohl mich der Chef schon aus dem aktiven Dienst nehmen und hier an den Schreibtisch setzen mußte. Na ja, das war meine Geschichte. Und was kann ich für Sie tun?«
Da ich meine Glaubwürdigkeit untermauern wollte, bevor ich ihm mein Erlebnis mit dem Lieferwagen schilderte, gab ich ihm meine Visitenkarte. Officer Corbet war höflich, aber ich sah ihm geradezu an, daß die Geschichte über jemanden, der mich aus einer Kapuzenmütze heraus penetrant anstarrte, beim Dezernat für körperliche Übergriffe, das vermutlich aus ihm allein bestand, nicht als gravierender Fall behandelt werden würde. Mit pfeifenden Lungen nahm er meinen Bericht auf und notierte die Einzelheiten mit Blockbuchstaben auf dem entsprechenden Formular. Er legte die Hände auf den Tresen und
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