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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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putzte mir die Zähne, wusch mein Gesicht und stieg wieder ins Bett, wo ich auf der Stelle einschlief.

    Ein Geräusch durchdrang meinen klebrig-zähen Traum. Ich kämpfte mich langsam schwimmend aufwärts, mein Körper mit dunklen Bildern und den ganzen bleiernen Szenarien des Schlafs befrachtet. Ich fühlte mich wie ans Bett geklebt. Ich schlug die Augen auf und lauschte, ohne genau zu wissen, wo ich war. Nota Lake stahl sich in mein Bewußtsein zurück, und die Hütte war so kalt, daß ich genausogut im Freien hätte schlafen können. Was hatte ich gehört? Mit großer Mühe drehte ich den Kopf. Dem Wecker zufolge war es 04.14 Uhr, also noch stockfinster. Das kaum vernehmbare Kratzen von Metall auf Metall... aber nicht das Geräusch eines Schlüssels... eventuell ein Dietrich, der ins Türschloß geschoben wird. Die Angst durchzuckte mich wie eine Feuerwerksrakete und entzündete meinen Körper mit einem Adrenalinschub. Ich schlug die Decken beiseite. Ich war immer noch komplett angezogen, doch die Kälte in der Hütte betäubte sowohl mein Gesicht als auch meine Hände. Ich schwang die Beine über die Bettkante, tastete nach meinen Schuhen und steckte die Füße hinein, ohne mir die Mühe zu machen, sie zuzubinden.
    Ich blieb stehen, wo ich war, mittlerweile auf die Stille eingestellt. Selbst in der tiefsten Provinz, wo es kaum Lichtverschmutzung gab, herrscht keine vollkommene Dunkelheit. Ich konnte die sechs Blöcke helleren Graus erkennen, die die Fenster auf drei Seiten bildeten. Ich sah zum Bett zurück, dessen leere weiße Laken mein Verschwinden anzeigten. Hastig arrangierte ich die Kissen so, daß sie eine rundliche Körperform ergaben, die ich wieder zudeckte. Das narrte die bösen Schurken doch immer. Ich schlich zur Tür hinüber und versuchte, die Kratzgeräusche meines Eindringlings über mein Herzklopfen hinweg zu vernehmen. Ich tastete am Türrahmen entlang. Es gab keine Sicherheitskette: War das Schloß erst einmal geknackt, stand also nichts mehr zwischen mir und meinem nächtlichen Besucher. Obwohl es dunkel war, zeichneten sich nach und nach die Umrisse im Inneren der Hütte ab. Ich ging die Einzelheiten im Gedächtnis durch und suchte dabei irgendwo unter der primitiven Einrichtung nach einer Waffe. Bett, Stuhl, Tisch, Duschvorhang. Ich hielt auf meiner Seite der Tür die Finger auf dem Schloß, um zu verhindern, daß es sich drehte. Vielleicht würde der Kerl annehmen, daß er die Sache nicht beherrschte oder das Schloß klemmte. Auf der anderen Seite der Tür vernahm ich nun ein leises Tappen, als mein Besucher sich zurückzog, um sich eine andere Möglichkeit zum Eindringen zu suchen. Ich ging auf Zehenspitzen zum Tisch und holte einen hölzernen Stuhl. Dann kehrte ich zur Tür zurück, schob die Stuhllehne unter den Knopf und klemmte die Stuhlbeine gegen den Fußboden. Lange würde das nicht halten, aber es bremste ihn vielleicht ein wenig. Ich nahm mir einen Moment Zeit, um meine Schuhe zuzubinden, da ich nicht wollte, daß man meine Schnürsenkel über den nackten Holzfußboden schleifen hörte. Von draußen vernahm ich leise Geräusche, während der Eindringling geduldig um die Hütte schlich.
    Waren die Fenster verschlossen? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich ging von Fenster zu Fenster und tastete nach den Riegeln. Sie schienen alle gesichert zu sein. Ein schmaler Spalt in den Vorhängen ließ mich einen kleinen Ausschnitt der Umgebung erspähen. Ich erkannte die Formen üppiger Weihnachtsbäume, eine Reihe von Nadelgehölzen, die vereinzelt in der Landschaft standen. Kein Verkehr auf der Landstraße. Kein Licht in den benachbarten Hütten. Zur Linken nahm ich eine Bewegung wahr, als jemand um die Seite der Hütte zu ihrer Rückseite verschwand.
    Geräuschlos durchquerte ich den Raum und betrat die dunkleren Umrisse des Badezimmers. Ich faßte nach dem Duschvorhang, der an mehreren Ringen von einer runden Metallstange hing. Mit den Fingern betastete ich die Halter, die an beiden Seiten der Duschkabine in die Wand geschraubt waren. Vorsichtig nahm ich die Stange aus den Schlitzen und schob den Vorhang Ring für Ring herunter. Als ich sie schließlich in der Hand hielt, wurde mir klar, daß die Stange nutzlos war: zu wenig Gewicht und zu leicht zu verbiegen. Ich brauchte eine Waffe, aber was besaß ich schon? Ich musterte das Milchglas des Badezimmerfensters, das unendlich viel blasser wirkte als die Wand darum herum. In der Mitte waren Hände und Schultern des Eindringlings zu

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