Kopf in der Schlinge
einer abgelegenen Ecke des Los Padres National Forest gefunden worden, aber den Namen hatte ich mir nicht gemerkt. Die Todesursache wurde nicht genannt, aber man ging von einer Straftat aus. Die Polizei hatte nur spärliche Einzelheiten preisgegeben, aber vielleicht hatten sie den Zeitungen ja alles gesagt, was sie wußten. Mir war keine weitere Erwähnung der Sache aufgefallen, und so hatte ich nicht näher darüber nachgedacht. Die staatlichen Waldgebiete Angeles und Los Padres sind beide als Abladeplätze für Mordopfer bekannt, und man hat irgendwie die Vorstellung, daß Leichen die Wanderwege säumen wie Müllsäcke.
Pflichtbewußt ließ ich den VW an und fuhr die acht Blocks zur Stadtbibliothek, wo ich die entsprechende Notiz in einer Ausgabe des Santa Teresa Dispatch vom 15. Januar fand.
In Los Padres gefundene Leiche
stammt von Wohnsitzlosem
Die am 13. Januar von einem Wanderer im Los Padres National Forest entdeckten verwesten menschlichen Überreste sind vom Sheriffbüro Santa Teresa als die Leiche eines Wohnsitzlosen namens Alfred Toth, 43, identifiziert worden. Der Tote war am Montag in einer zerklüfteten Landschaft sieben Kilometer östlich des Manzanita Mountain gefunden worden. Ermittlungsbeamte konnten Toth anhand seines 7.ahnschemas identifizieren, nachdem sie die Leiche mit einer Vermißtenmeldung in Verbindung gebracht hatten, die seine Exfrau eingereicht hatte, eine Bewohnerin Perdidos namens Olga Toth. Der Fall wird als Mord behandelt. Wer nähere Angaben dazu machen kann, wird gebeten, Detective Clay Boyd im Sheriffbüro anzurufen.
Vor dem Gebäude stand eine Telefonzelle. Ich kramte ein paar Münzen aus den Tiefen meiner Tasche, wählte die Nummer des Sheriffbüros von Santa Teresa County und fragte nach Detective Boyd.
»Boyd.« Sein Tonfall war ausdruckslos, nüchtern, rein geschäftsmäßig. Bis jetzt hatte er mir nur seinen Namen genannt, und ich wußte bereits, daß er nicht mein bester Freund werden würde.
»Hallo, mein Name ist Kinsey Millhone«, begann ich und versuchte, nicht allzu fröhlich zu klingen. »Ich bin Privatdetektivin und arbeite an einem Fall, der eventuell mit dem Tod von Alfie Toth zusammenhängen könnte.«
Pause. »Inwiefern?«
»Tja, ich bin mir noch nicht sicher. Ich erwarte keine vertraulichen Informationen von Ihnen, aber könnten Sie mich vielleicht auf den neuesten Stand bringen? Das letzte Mal stand im Januar etwas darüber in der Zeitung.«
Pause. Es war, als unterhielte man sich mit zeitlicher Verzögerung. Ich hätte schwören können, daß er sich Notizen machte. »Worin besteht Ihr Interesse an der Sache?«
»Ah, also, das ist schwer zu erklären. Ich arbeite für die Frau — oder vielmehr Witwe — eines Ermittlungsbeamten aus dem Sheriffbüro droben in Nota Lake. Tom Newquist. Kannten Sie ihn zufällig?«
»Der Name sagt mir nichts.«
»Er ist letzten Juni hierhergekommen, um mit Alfie Toth zu sprechen, aber als er im Gramercy eintraf, war Toth schon ausgezogen. Womöglich hatten sie später Kontakt miteinander — über diesen Punkt bin ich mir noch nicht im klaren — , aber ich vermute, daß dies im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungen stand.«
»M-hm.«
»Geht aus Ihren Unterlagen hervor, daß Newquist an Ihre Abteilung herangetreten ist?«
»Moment bitte.« Er klang resigniert, ein Mann, der später nicht den Vorwurf hören wollte, das Informationsrecht der Öffentlichkeit mit Füßen getreten zu haben.
Er schaltete mich auf Warten. Ich lauschte den sanft zischenden Geräuschen, die signalisieren, daß man in den telefonischen Hyperspace eingetreten ist. Ich sandte ein kleines Dankgebet dafür nach oben, daß man mich nicht mit Polkamusik oder John Philip Sousa traktierte. Manche Firmen schalten einen auch auf Nachrichtensendungen mit zu geringer Lautstärke, und man sitzt da und fragt sich, ob man gerade in einem abartigen Hörtest durchfällt.
Detective Boyd kam wieder an den Apparat. Anscheinend hatte er die Akte offen vor sich liegen, da ich ihn umblättern hörte. »Sind Sie noch dran?« fragte er desinteressiert.
»Ja.«
»Tom Newquist hat sich nicht bei uns gemeldet, als er hier war, aber ich kann aus der Akte ersehen, daß wir mit Nota Lake Kontakt hatten.«
»Tatsächlich. Ich frage mich, warum er Ihnen nicht mitgeteilt hat, daß er herkommt.«
»Herrje, ich weiß nicht. Das ist eine schwere Frage«, sagte er tonlos.
»Wenn er sich gemeldet hätte, wäre es dann vermerkt worden?«
»Ja, Ma’am.«
Ich wußte
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