Kopf in der Schlinge
herumtreibt und ich ihn gern suchen würde, wenn er mir ein oder zwei Tage Zeit ließe.«
»Wie lange war Alfie hier?«
»Zwei Tage, vielleicht drei. Ich lasse keinen meiner Exmänner länger bleiben. Sonst schlagen die Kerle alle naselang ihr Lager auf meiner Türschwelle auf. Die wollen doch alle das gleiche.« Sie hob die rechte Hand und hakte die einzelnen Posten ab, während sie sie aufzählte. »Sie wollen Sex, die Wäsche gemacht haben und ein paar Scheine in die Tasche gesteckt kriegen, bevor man sie wieder davonschickt.«
»Was hat Alfie dazu veranlaßt, aus dem Gramercy auszuziehen?«
»Ich hatte den Eindruck, daß er nervös war. Außerdem kam er mir schreckhaft vor, aber er hat mir nicht verraten, warum. Alfie ist schon immer ruhelos gewesen, aber ich würde sagen, er hat einen Ort gesucht, an dem er sich verkriechen konnte. Ich glaube, er hoffte, sich auf Dauer hier niederlassen zu können, aber das wollte ich nicht. Ich versuchte ihn von längerfristigen Plänen abzuhalten. Er war ein reizender Mann, ein richtiger Schatz. Er war zwanzig Jahre jünger als ich, obwohl man das nie gesehen hätte. Acht Jahre lang waren wir verheiratet. Natürlich war er die meiste Zeit davon im Gefängnis, deshalb hat es ja auch so lange gehalten.«
»Weshalb war er im Gefängnis?«
Sie winkte ab. »Es war nie irgend etwas Großes — ungedeckte Schecks oder Bagatelldiebstahl oder öffentliche Trunkenheit. Manchmal auch Schlimmeres, deshalb kam er ja in den Bau. Aber nichts Gewalttätiges. Keine Straftaten gegen Personen. Sein Problem war, daß er nie herausfand, wie er das System überlisten konnte. Es lag eben nicht in seiner Natur, also hatte er keine Chance. Man konnte ihm seine Dummheit nicht vorwerfen. Er war einfach so geboren. Immer wieder ist er in schlechte Gesellschaft geraten und hat sich auf irgendeinen Versager mit einem völlig idiotischen Plan eingelassen. Er ließ sich leicht unterbuttern. Jeder konnte den armen Alfie an der Nase herumführen. In seinen Ohren klang alles gut. Er war ja dermaßen naiv! Das meiste endete katastrophal, aber irgendwie hat er nie etwas daraus gelernt. Dafür mußte man ihn einfach gern haben. Außerdem sah er auf eine witzige Art gut aus. Was er machte, machte er gut, und alles andere konnte man sowieso von vornherein abschreiben.«
»Was hat er denn gut gekonnt?«
»In der Kiste war er sagenhaft. Der Mann hatte ein Teil wie ein Hengst und konnte den ganzen Tag vögeln.«
»Aha. Und wie haben Sie sich kennengelernt?«
»In einer Kneipe. Damals habe ich mich noch in der Single-Szene rumgetrieben, aber das habe ich inzwischen aufgegeben. Ich weiß nicht, wie Sie es handhaben, aber mittlerweile halte ich mich an die Kleinanzeigen. Das macht viel mehr Spaß. Sind Sie Single? Sie sehen wie ein Single aus.«
»Ja, bin ich, aber irgendwie paßt es zu mir.«
»Oh, ich weiß, was Sie meinen. Ich habe auch nichts dagegen, allein zu leben. Damit habe ich keine Probleme. Ehrlich gesagt ist es mir sogar lieber. Ich weiß nur nicht, wie ich sonst einen Kerl in die Falle kriegen soll.«
»Sie suchen über Anzeigen nach Sex?«
»Na ja, man sagt es nicht gleich so platt. Das wäre ja doof«, erwiderte sie. »Es gibt hundert reizende Arten, es auszudrücken. >Party-Schätzchen<, >Girls Just Want to Have Fun<, >Leidenschaftliche Seele sucht Gleichgesinnten<. Wenn man die richtigen Formulierungen verwendet, kapieren es die Männer schon.«
»Aber macht Sie das denn nicht nervös?«
»Was?« fragte sie, die großen Augen verständnislos auf mich gerichtet.
»Na ja, sich die Bettgefährten über eine Zeitungsanzeige zu suchen.«
»Wie soll man sie denn sonst an Land ziehen? Ich wechsle ja nicht ständig den Partner, aber ich habe einen gesunden Appetit auf solche Dinge. Drei-, viermal die Woche juckt’s mich eben, nach Liebe Ausschau zu halten.« Sie ruckte auf ihrem Sitz hin und her und schnippte mit den Fingern, um die Freuden des hüftwackelnden Singlelebens zu illustrieren, die mir offenbar entgangen waren. »Jedenfalls bin ich damals, als ich Alfie kennenlernte, noch durch die Clubs gezogen, was in Perdido wirklich eine beschränkte Spannweite bedeutet, von der Auswahl ganz zu schweigen. Als ich Alfie sah, hätte ich nie gedacht, daß er eine so eindrucksvolle Begabung besäße. Der Mann war unermüdlich — er bumste in einem fort. Ich meine, in gewissem Sinne war es ein Glück, daß er so oft im Gefängnis saß.« Sie hielt inne, um einen Schluck von ihrem Martini zu
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