Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
schon, wie es weiterlief. Ich befand mich auf einem Angelausflug, und Detective Boyd antwortete ausschließlich auf direkte Fragen. Was ich nicht fragte, würde er mir auch nicht von sich aus verraten. Irgendwie mußte ich sein Interesse wecken und mir seine Kooperation sichern. »Am besten schildere ich Ihnen mal mein Problem«, sagte ich im Plauderton. »Seine Witwe ist der Überzeugung, daß ihr Mann wegen irgend etwas zutiefst besorgt war.«
    »M-hm.«
    Ich merkte, wie mein Frust wuchs. Wie konnte dieser Mann so gefällig und so begriffsstutzig zugleich sein? Ich versuchte es anders. »Wurde Alfie Toth zur Zeit seines Todes wegen irgendeines Vergehens gesucht?«
    »Nicht daß ich wüßte. Er hatte gerade eine Haftstrafe für Kleindiebstahl abgesessen.«
    »Der Rezeptionist des Gramercy sagt, ein Kriminalbeamter in Zivil sei mit einem Haftbefehl für ihn gekommen.«
    »Das war keiner von uns.«
    »Sie haben keine ausstehenden Haftbefehle vermerkt?«
    »Nein, Ma’am, habe ich nicht.«
    »Aber irgendein Zusammenhang muß bestehen, sonst hätte sich Tom Newquist nicht die Mühe gemacht, den ganzen Weg hierher zu fahren.«
    »Passen Sie auf. Falls es nur darum geht, Mrs. Newquists Neugier zu befriedigen, sehe ich keinen Anlaß dazu, Informationen herauszugeben. Erkundigen Sie sich doch in Nota Lake, dann hören Sie ja, was sie dort zu sagen haben. Das ist die sicherste Methode.«
    »Wollen Sie damit sagen, Sie haben Informationen?«
    »Ich will damit sagen, daß ich nicht jedem x-beliebigen, der danach fragt, über den Inhalt laufender Ermittlungen Auskunft gebe. Wenn Sie Tatsachen kennen und uns etwas Neues mitzuteilen haben, würden wir uns freuen, wenn Sie uns aufsuchten.«
    »Wurde der Fall aufgeklärt?«
    »Bis jetzt nicht.«
    »Die Zeitungen haben angedeutet, daß die Angelegenheit als Mordfall behandelt wird.«
    »Das ist richtig.«
    »Haben Sie einen Verdächtigen?«
    »Momentan nicht. Nein, würde ich nicht sagen.«
    »Irgendwelche Spuren?«
    »Keine, von denen ich Ihnen erzählen würde«, erwiderte er. »Wenn Sie hier vorbeikommen möchten, könnte ich Sie vielleicht mit dem Wachhabenden sprechen lassen, aber Informationen übers Telefon rausgeben, das läuft nicht. Ich möchte Sie nicht beleidigen, aber Sie könnten ja weiß Gott was sein... Journalistin zum Beispiel.«
    »Gott bewahre«, sagte ich. »Sie halten mich doch nicht für etwas derart Mieses.«
    Ich konnte ihn lächeln hören. Zumindest amüsierte er sich. Er schien kurz zu überlegen und sagte dann: »Versuchen wir’s mal so. Geben Sie mir einfach Ihre Nummer, und wenn sich irgend etwas ergibt, das ich weitersagen darf, melde ich mich.«
    »Sie sind wirklich zu freundlich.«
    Detective Boyd lachte. »Schönen Tag noch.«

14

    Olga Toth öffnete die Tür zu ihrer Eigentumswohnung in Perdido in einem leuchtendgelben Ensemble aus enganliegenden Strümpfen und einem sackförmigen Kleid aus dehnbarem Baumwollstoff, das um die Taille mit einem breiten, straßbesetzten weißen Plastikgürtel zusammengezogen war. Der Stoff klebte an ihrem Körper wie ein Verband, der allerdings den Schaden, den die Zeit an ihrem sechzig Jahre alten Körper angerichtet hatte, nicht ganz verbergen konnte. Ihre kniehohen Stiefel sahen aus, als wären sie Größe dreiundvierzig — weißes Alligatorimitat mit einem überladenen Stickmuster auf dem Spann. Sie hatte irgendeinen Eingriff an ihrem Gesicht vornehmen lassen, vermutlich Collagen-Injektionen, wie ich aus ihren vollen Lippen und dem leicht klumpigen Aussehen ihrer Wangen schloß. Ihre Haare leuchteten in einem trocken wirkenden Platinblond, die braunen Augen waren dick umrandet, und darüber hatte sie ein auffälliges Paar Augenbrauen gezeichnet. Ich roch den Wermut in ihrem Atem, bevor sie ein Wort sagte.
    Ich war die fünfundvierzig Kilometer nach Perdido mitten im Nieselregen gefahren, der Sorte feinen Niederschlags, die das ständige Hin und Her der Scheinwerfer und äußerste Konzentration erfordert. Die Straße war glatt, und ihr Belag glänzte unter einem trügerischen Wasserglanz, der das Fahren gefährlich machte. Unter gewöhnlichen Umständen hätte ich die Fahrt vielleicht ein oder zwei Stunden hinausgeschoben, aber ich hatte Angst, daß die Polizei es womöglich irgendwie schaffen würde, Alfies Exfrau vor meinem Interesse zu warnen und sie zu drängen, den Mund zu halten, wenn ich an ihre Tür klopfte.
    Die Adresse, die man mir gegeben hatte, war gleich am Strand, ein zehnteiliger Komplex aus

Weitere Kostenlose Bücher