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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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zweistöckigen Reihenhäusern in Sichtweite des Pazifiks. Olgas Wohnung lag im ersten Stock und hatte eine Außentreppe sowie einen kleinen überdachten Eingang, der von Topfpflanzen gesäumt war. Die Frau, die mir die Tür öffnete, war älter, als ich erwartet hatte, und ihr Lächeln brachte eine strahlende Reihe von Zahnkronen zum Vorschein.
    »Mrs. Toth?«
    »Ja?« sagte sie. Ihr Tonfall ließ auf einen selbstverständlichen Optimismus schließen, als öffnete sie, nachdem sie sämtliche Formulare eingesandt und die entsprechenden Zahlen zum Nachweis ihrer Berechtigung bei sich behalten hatte, womöglich jemandem die Tür, der ihr die Schlüssel zu ihrem neuen Auto oder — noch besser — jenen überdimensionalen Scheck über mehrere Millionen Dollar überreichte.
    Ich zeigte ihr meine Karte. »Könnte ich mit Ihnen über Ihren Exmann sprechen?«
    »Welchen?«
    »Alfie Toth.«
    Ihr Lächeln schwand enttäuscht, als gäbe es unter ihren vielen Ehemännern bessere Exemplare, nach denen man sich erkundigen könnte. »Herzchen, tut mir leid, daß ich diejenige bin, die Ihnen das sagen muß, aber er ist verstorben. Wenn Sie also seiner unbezahlten Rechnungen wegen hier sind, stellen Sie sich bitte hinten an.«
    »Es geht um etwas anderes. Darf ich reinkommen?«
    »Sie kommen aber nicht wegen einer Gerichtsvorladung?« fragte sie mißtrauisch.
    »Ganz und gar nicht. Ehrlich.«
    »Ich warne Sie nämlich. Ich habe noch am Tag unserer Trennung über die Zeitung bekanntgegeben, daß ich ausschließlich für meine eigenen Schulden einstehe.«
    »Von mir haben Sie nichts zu befürchten.«
    Sie musterte mich, überlegte und trat dann zurück. »Aber keine komischen Mätzchen«, warnte sie mich.
    »Ich bin nie komisch«, erwiderte ich.
    Ich folgte ihr durch die kleine Diele und sah zu, wie sie ein Martiniglas von einem kleinen Beistelltisch nahm. »Ich habe mir gerade einen Drink gegönnt, falls Sie auch einen möchten...«
    »Im Moment nicht, vielen Dank.«
    Wir betraten ein Wohnzimmer, das komplett in Weiß eingerichtet war: abgetreten wirkender weißer Nylonvelours-Teppichboden, weiße Nylongardinen, weiße Kunstledersofas und ein Sessel mit weißem Vinylbezug. Es war nur eine Lampe eingeschaltet, und das Licht, das durch die Vorhänge drang, wurde durch den Regen gedämpft. Der Raum kam mir feucht vor. Auf dem Couchtisch aus Glas und Chrom standen ein großer Strauß weißer Lilien und ein Krug Martini-Cocktails. Daneben lagen mehrere Exemplare des Architectural Digest und die neueste Ausgabe von Modern Maturity. Olgas Blick fiel ungefähr im gleichen Moment darauf wie meiner. Ungeduldig beugte sie sich vor. »Die gehört meiner Freundin. Ich finde diese Hefte wirklich gräßlich. Sowie man fünfzig wird, fängt der Rentnerbund an, einen als Mitglied ködern zu wollen. Dabei bin ich noch längst nicht im Rentenalter«, versicherte sie mir. Sie schenkte sich einen weiteren Drink ein und gab Oliven dazu, die sie aus einer kleinen Schale daneben nahm. Begeistert leckte sie sich die Fingerspitzen. »Die Oliven sind das Beste daran«, meinte sie. Mir fiel auf, daß ihre Fingernägel sehr lang und dick waren, dick genug, um Acrylnägel oder schlecht gemachte Auflagen aus Seidenfaser vermuten zu lassen.
    »Was sind Sie von Beruf?« fragte ich.
    Sie bot mir einen Platz am einen Ende der Couch an, während sie sich ans andere Ende setzte und den Arm über der Rücklehne ausstreckte. »Ich bin Kosmetikerin, und falls es Ihnen nichts ausmacht...«
    Ich hielt eine Hand in die Höhe. »Geben Sie mir keine Schönheitstips. Ich kann nichts damit anfangen.«
    Sie lachte, ein erdiges, gutturales Geräusch, das ihre Brüste zum Wackeln brachte. »Ein Versuch kann nie schaden. Falls Sie je Lust auf ein neues Styling haben, rufen Sie mich einfach an. Ich könnte aus Ihrem Haarwust etwas Sagenhaftes machen. So, was ist das jetzt für eine Geschichte mit Alfie? Ich dachte, er hätte seine Probleme ein für allemal hinter sich, der Ärmste.«
    Ich erklärte ihr, was für einen Auftrag ich hatte, wobei ich annahm, sie als Witwe würde Verständnis dafür aufbringen, daß sich Selma Newquist über den seelischen Zustand ihres Mannes in den Wochen vor seinem Tod Gedanken machte.
    »An den Namen Newquist kann ich mich erinnern. Das ist der, der zwei Wochen nach Alfies Verschwinden bei mir angerufen hat. Er meinte, es sei wichtig, aber soweit ich es beurteilen kann, war es gar nicht dringend. Ich habe ihm erzählt, daß sich Alfie noch irgendwo

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